Cyberrisiken, Naturkatastrophen sowie drei bis neun Meter Pferdemist

26. Juni 2023 | Aktuell Allgemein
Cyberrisk und Naturkatastrophen: Dr. Jean-Philippe Moser, stv. Direktor des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV.
Cyberrisk und Naturkatastrophen: Dr. Jean-Philippe Moser, stv. Direktor des Schweizerischen Versicherungsverbands SVV.

Das diesjährige HZ Insurance Forum im Hotel Hyatt in Zürich bot wieder einmal eine optimale Auswahl an Themen und Gästen, unter anderem Dr. Jean-Philippe Moser, dem stellvertretende Direktor des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV). In diesem Artikel gehen wir auf die von Dr. Jean-Philippe Moser dargestellten globalen Risiken ein und zeigen auf, wie sich die Versicherungsindustrie aufstellen sollte.

Das Thema «Globale Risiken: Was haben wir gelernt und wie muss sich die Versicherungsindustrie aufstellen?» begann Dr. Jean-Philippe Moser vom SVV mit dem Jahr 1898. Damals gehörte der «Pferdemist» zu den Top-Risiken. Dieses Risiko präsentierte sich in vielen Weltmetropolen gleich und die Gefahr des Versinkens in Pferdemist war omnipräsent.

Die Londoner Times prognostizierte eine Mistschicht von bis zu drei Metern bis ins Jahr 1950, während man in New York für das Jahr 1930 bereits eine neun Meter dicke Schicht berechnete.

Vertiefende Risiken

Wenig überraschend gehören heute Cyber- und Naturkatastrophen zu den vertiefenden Risiken. Bei den Elementarschäden in der Schweiz sind vor allem auch Erdbeben und die Strommangellagen in Betracht zu ziehen. Aus Sicht der Versicherungsindustrie spielt die Versicherbarkeit eine wesentliche Rolle. Bei den Kriterien spricht man beispielsweise von der Zufälligkeit und der Quantifizierung. Naturkatastrophen und Erdbeben sind grundsätzlich gut versicherbar, da umfangreiches Datenmaterial vorhanden ist und Erdbeben zudem lokal auftreten.

Anders sieht es bei Cyberrisiken aus, wo die kriminelle Energie eine Rolle spielen kann. Die Datenlage im Cyberbereich ist dürftig, vorhanden sind jedoch die Prämienzahlen. In den vergangenen Jahren sind diese noch gestiegen. Nach Berechnungen von Swiss Re werden sich die Kosten noch vervielfachen. Trotzdem existieren Produkte und Lösungen aus der Versicherungswirtschaft für Private und KMUs. Das Ziel müsste sein, über genügend Grundlagen zu verfügen, um die Versicherbarkeit des Cyberrisikos zu erhöhen.

Noch schwieriger verhält es sich bei der Strommangellage. Diese ist aus Sicht des SVV nicht versicherbar. Dabei sind jedoch nicht der Stromausfall oder der Stromunterbruch gemeint, sondern die Mangellage an sich. Hier handelt es sich um einen politischen Entscheid, den Strom abzustellen oder zu rationieren. Da dies nicht zufällig geschieht, ist sie entsprechend nicht versicherbar.

Folgeprojekt des SVV zur Erhöhung der Versicherbarkeit

Um die Cybersicherheit zu erhöhen hat der SVV ein Folgeprojekt lanciert, um die Prävention und Resilienz zu steigern. Es wird viel in die Datengrundlagen und Modelle investiert. Bei der Versicherbarkeit und der Tragbarkeit wird ein gemeinsames Verständnis von Szenarien benötigt. Man muss auch wissen, woher die Kapazitäten kommen könnten und wie eine mögliche Risikoteilung funktionieren könnte. Wie das Schadenmanagement im Krisenfall funktionieren soll, ist eine weitere Frage.

Deshalb prüfte der SVV auch internationale Entwicklungen und hat dazu über hundert internationale Modelle der Risikoteilung – nicht nur im Cyberbereich – betrachtet. Ein Beispiel der Anwendbarkeit in der Schweiz aus Grossbritannien ist eine Terrorismusversicherung. Als Teil eines Terrorangriffs ist auch der Cyberteil versichert. Es handelt sich um eine Art gemeinsame Deckung zwischen Staat und Industrie. Solche Modelle helfen die Versicherbarkeit zu erhöhen und schaffen eine Gemeinschaft zwischen dem Staat und den Privaten.

Mögliche Eventualverpflichtung

Neu in der politischen Diskussion ist die Idee einer Eventualverpflichtung. Eine Motion ist in Ausarbeitung, bei welcher die Eigentümer*innen dazu verpflichtet sind, einen Betrag von bis 0,7 Prozent des Werts ihrer Liegenschaft einzuzahlen, sollte etwas passieren. Dabei handelt es sich nicht um eine Versicherung, sondern um eine Art Sondersteuer für den Krisenfall.

Das Potenzial für eine bessere Datengrundlage im Cyberbereich ist aus Sicht des SVV sehr gross, wenn gewisse Grundlagenarbeiten auch in der Prävention vorangetrieben werden können. «Über die Risikoteilung werden wir in den nächsten Jahren noch viel hören», so Dr. Jean-Philippe Moser. Toprisiken sind nicht gleich Toprisiken, aber die Auseinandersetzung mit den Risiken unserer Gesellschaft ist wesentlich, um ihren Wohlstand und ihre Wohlfahrt zu gewährleisten.

Zum Schluss lüftete der Redner das Geheimnis um die grossen Mengen von Pferdemist, über die er am Anfang sprach. Aufgrund von neuen Entwicklungen in der Mobilität hatte sich die Prognose als falsch erwiesen. Das Auto kam, das Pferd ging und damit einher traten auch neue Risiken auf, während alte verschwanden. Dieses Beispiel zeigt, dass der Mensch sich in der eigenen Prognosefähigkeit nicht überschätzen sollte.

Binci Heeb

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