Strommangellage, was ist jetzt Sache der Schweiz und der Versicherungen?

17. Oktober 2022 | Aktuell Allgemein
Strommangellager und Gasmangellage: Müssen wir uns davor fürchten? Bild: Pixabay.
Strommangellager und Gasmangellage: Müssen wir uns davor fürchten? Bild: Pixabay.

In Standardversicherungen ist das Risiko einer Strommangellage in der Regel nicht eingeschlossen. Bereits im Juli 2020 hat thebroker vor einer solchen Strommangellage gewarnt. Sie gehört zur grössten Katastrophe, mit welcher die Schweiz rechnen muss, wie es die Nationale Risikoanalyse des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz BABS aus dem Jahr 2015 beschreibt. Wer hätte gedacht, dass es eine Pandemie, einen Angriffskrieg auf die Ukraine und daraus resultierend einen Mangel an Strom und Gas geben könnte?

Wer ist eigentlich für die Energieversorgung in der Schweiz zuständig? Gemäss Art. 6 Abs. 2 des Energiegesetzes EnG geschrieben steht, die Energiewirtschaft. Dabei muss zwischen Netz und Energielieferung unterschieden werden. Verantwortlich für die Netzsicherheit und -stabilität sind die Netzbetreiber. Bei grossen Stromkunden basiert die Energielieferung auf privatrechtlichen Verträgen und liegt beim Energielieferanten. Bei Haushalts- und Gewerbekunden liegt die Verantwortung beim lokalen Verteilnetzbetreiber.

Bund und Kantone sorgen unterstützend für die Rahmenbedingungen. Bei unzureichender Sicherung der Energieversorgung sollten sie rechtzeitig für die Voraussetzungen für die Bereitstellung der notwendigen Produktions-, Netz- und Speicherkapazitäten besorgt sein. Der Bundesrat kann zudem nach Art. 9 des Stromversorgungsgesetzes (StromVG) Massnahmen gegen eine mittel- oder langfristige erhebliche Gefährdung der Stromversorgung ergreifen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung sind zeitlich begrenzte Massnahmen zur Behebung einer unmittelbar drohenden oder bereits bestehenden schweren Strommangellage möglich.

Definition einer Strommangellage

Analoge Uhr, kaltes Wasser, Kaffeemaschine, PC, Internet, Telefon, Steckdosen: Nichts funktioniert ohne Strom. Diese Situation tritt selten überraschend, ohne rechtzeitige Warnung der Behörden ein, kann dann aber mehrere Monate andauern. Die Stromversorgung liegt bei 30 Prozent. Gemäss Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung BWL klafft bei Strommangellage Angebot und Nachfrage von elektrischer Energie aufgrund von zu geringen Produktions-, Übertragungs- und/oder Importkapazitäten während mehreren Tagen, Wochen oder Monaten weit auseinander.

Eine solche Mangellage entsteht durch die Verkettung von Ereignissen. So verringert sich die Eigenproduktion nach einem trockenen Sommer zum Beispiel aufgrund tiefer Pegelstände in Flüssen und Stauseen. Also muss Energie auf dem Markt zugekauft werden. Doch die Situation verschärft sich dramatisch, wenn mit einem Mal Strom nicht mehr beliebig importiert werden kann, weil das umliegende Ausland selbst mit Produktions-, oder eigenen Lieferengpässen kämpft. Das Risiko einer Mangellage steigt weiter, sollten die Übertragungskapazitäten, zum Beispiel durch Infrastrukturschäden aufgrund eines Naturereignisses eingeschränkt sein, ganze europäische Lieferketten ausfallen und die Lieferungen zusammenbrechen.

Unterschied zwischen Strommangellage und Blackout

Eine Strommangellage ist nicht zu verwechseln mit einem Stromunterbruch, auch Blackout genannt. Blackouts sind unvorhersehbare Unterbrüche der Stromversorgung von einigen Minuten, Stunden oder Tagen, die meist aufgrund von Schäden an der Verteilinfrastruktur, Netzüberlastung oder technischen Störungen auftreten. Stromunterbrüche bewältigt die Strombranche für gewöhnlich selbstständig.

Rationierung des Stroms

Für diesen ausserordentlichen Fall sind mögliche Notmassnahmen vorbereitet. Während einer Mangellage wird der Strom rationiert – jede Region erhält nur eine begrenzte Anzahl Stunden täglich Elektrizität. Ein solches Szenario würde selbst nach den Corona-Erfahrungen zu immensen ökonomischen und immateriellen Schäden für die Wirtschaft und die Gesellschaft führen. Es wird mit einem Schaden von über 100 Milliarden Franken gerechnet. Die Häufigkeit eines derartigen Ereignisses schätzten die Experten damals, aufgrund ihrer Studie von 2015, auf einmal in dreissig bis hundert Jahren.

Kann es zu einer Gasmangellage kommen?

Während andere Länder über Gasspeicher verfügen, ist die Schweiz beim Gas vollständig von Importen abhängig und hat keine eigenen Gasspeicher. Die Schweizer Gasunternehmen beziehen das Erdgas auf den Handelsplätzen in den umliegenden EU-Ländern. Bis zu drei Viertel der Gaslieferungen in die Schweiz erfolgen via Deutschland. Rund die Hälfte dieser importierten Erdgasmenge stammte bis vor kurzer Zeit indirekt aus Russland, entfällt heute aus bekannten Gründen jedoch praktisch vollständig.

Konkret haben die Gasflüsse aus Russland in die EU in den letzten Monaten stetig abgenommen. Die Pipelines Nord Stream 1 und 2 wurden in den frühen Morgenstunden des 26. September zerstört, waren zum Zeitpunkt der Explosionen zwar nicht in Betrieb, allerdings noch mit grossen stehenden Gasmengen gefüllt. Dieses strömte aufgrund von beträchtlichen Beschädigungen durch die Löcher ins Meer und trat an der Oberfläche aus. Westen, wie Osten sind sich sicher, dass es sich um gezielte Sabotage handelte, nicht aber über die Täterschaft.

Werden bei einer Strommangellage gewisse Anwendungen, Aktivitäten und Dienstleistungen generell unterbunden?

Was da tatsächlich noch auf uns zukommt, weiss heute zudem ohnehin niemand, aber was in Sachen Energie-Beschränkungen oder -Ausfälle nötig sein könnte, ist von Staates wegen jetzt geregelt. In einer Strommangellage dürfen ab einer gewissen Mangelsituation Stromgebrauch oder zumindest ein Teil davon verboten werden. Offiziell erklärtes Ziel: Noch stärkere Eingriffe in Wirtschaft und Gesellschaft zu vermeiden.

Diese Beschlüsse sind unter den sogenannten Verbrauchseinschränkungen zusammengefasst. Aber wen sie konkret betreffen, lässt sich im Voraus nicht abschliessend sagen. Der Bundesrat entscheidet je nach Situation und Ausmass der Energielage, welche Massnahmen ergriffen werden, ob Verbote oder Einschränkungen nötig sind. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigt die Landesregierung neben dem Einsparpotenzial und der Umsetzbarkeit zu treffender Massnahmen, die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft.

Damit es nicht zu Netzabschaltungen kommt, sollen Verbrauchseinschränkungen und Kontingentierung von Grossverbrauchern auf reduziertem Niveau ins Gleichgewicht bringen. Zur letzten und einschneidendsten Massnahme gehören Netzabschaltungen, um den kompletten Zusammenbruch des Stromnetzes zu verhindern.

Welche aktuelle Lage sieht der Bundesrat?

Die Stromversorgung sei in der Schweiz aktuell gewährleistet. Der Bundesrat rät dennoch dringlich zur Versorgungssicherheit der Schweiz im Winter generell jede Form von Energieverschwendung zu vermeiden, Heizanlagen und Boiler müssen weiter regulär gewartet werden.

Wichtige Informationen und Weisungen der Behörden
  • Die Versorgung mit Erdgas ist, Stand heute, weiter gewährleistet.
  • Das Gleiche gilt für die Heizölversorgung. Die Heizungen sind normal zu warten, der Füllstand des Tanks – wo (noch) in Gebrauch – regelmässig zu kontrollieren.
  • Auch die Versorgung mit Treibstoff (Benzin/Diesel) ist gegenwärtig nicht gefährdet. Es wird geraten sparsam zu fahren und kurze Distanzen zu Fuss oder mit dem Velo zurückzulegen.
  • Schliesslich ist auch die Versorgung mit Holz nach wie vor sicher. Jetzt Pellets bestellen, da knappe Lager oder fehlende Transportlogistik zu längeren Lieferfristen führen.
Wie sparen Firmen und Gemeinden bereits heute Strom?

Erfreulich ist, dass die meisten Firmen und Gemeinden sich bereits jetzt auf die Gefahren einer Strommangellage vorbereiten. Einzelne Orte haben bereits reagiert und die Strassenbeleuchtung zwischen eins bis fünf Uhr eingestellt. Bei der UBS werden die Büros um ein Grad weniger geheizt, das Licht bereits um 18 Uhr gelöscht. Novartis bietet hybride Arbeitsmodelle und eine Reduktion der Temperatur in Büroräumen. Die SBB spart bei der Beleuchtung, Klimatisierung sowie Beheizung in den Gebäuden und stellt das Warmwasser ab. Dies nur wenige von vielen Beispielen.

Die Versicherungen interessiert: Wer zahlt für Schäden?

In der Regel ist in Standardversicherungen das Risiko einer Strommangellage, wie bereits erwähnt, nicht gedeckt. Zur Stolperfalle gehört, dass ein Stromunterbruch durch die Behörde angekündigt und veranlasst wird, also nicht unfallmässig eintritt. Dies, damit keine Versicherung sich auf den Standpunkt stellen kann, der Schaden wäre vorauszusehen und damit weitgehend vermeidbar. Und die Gebäudeversicherung? Aussichtslos, sie deckt Feuerschäden an der Haustechnik aber keine Stromwirkungsschäden.

Versicherungsschutz für Schadensfälle aus Stromunterbrüchen ist nur ansatzweise zu finden. Möglicherweise sind Tiefkühlschränke und deren Inhalt durch bestehende All Risk-Versicherungen gedeckt. Gebäudetechnik wiederum muss bei Stromunterbrüchen und Überspannungen separat versichert werden. Für Betriebe gilt, dass häufig nur Maschinen-Betriebsunterbrechungsversicherungen Deckung für Unterbrechungsschäden als Folge von Stromunterbruch bieten. 

Gut beraten, wer sich umgehend mit dem bis vor Kurzem noch Unvorstellbaren ernsthaft mit seinem Broker auseinandersetzt.

Binci Heeb

Lesen Sie auch: Gemäss heute noch immer geltender Nationaler Risikoanalyse von 2015 das grösste Risiko für die Schweiz: Strom-Mangellage


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