Hagel 2022 an 12 Tagen

14. Oktober 2022 | Aktuell Allgemein
Hagel 2022: Cessna 182T Skylane, Registration: HB-TOP, Location: Birrfeld. Bild von Gideon van Dijk auf flickr.
Hagel 2022: Cessna 182T Skylane, Registration: HB-TOP, Location: Birrfeld. Bild von Gideon van Dijk auf flickr.

2020 hagelte es an sieben, 2021 an acht Tagen. Dieses Jahr zeigte sich das Wetter von seiner guten Seite. Aber nur für Meteorologen, die Wetterextreme mögen. Anfang des Jahres besuchten uns drei Sturmtiefs und auf der anderen Seite schwitzten Herr und Frau Schweizer bei Hitzewellen mit jeweils über 35 Grad. Sturzfluten, Starkregen, Föhnsturm und etliche Sturmtiefs vervollständigten das Wetter bis heute.

In Deutschland, Österreich und den USA erfolgreich eingesetzt, kam er 2018 auch in die Schweiz: Der sogenannte «Hagelflieger» der Baloise Versicherung. Seine Aufgabe war die Verhinderung von Hagel noch vor dessen Entstehung. Der Hagel verursacht der Schweizer Volkswirtschaft jährlich Millionenbeträge, zerstört Ernten und verursacht Schäden. Die Schweizerische Hagel-Versicherungs-Gesellschaft, kurz Schweizer Hagel, erhielt 2021 knapp 14 000 Schadenmeldungen. Die Schadensumme belief sich auf 110 Millionen Franken, womit es als das schadenreichste Jahr in der 140-jährigen Geschichte von Schweizer Hagel gilt.

Obwohl es öfter hagelte, erwartet die Schweizer Hagel 2022 eine Schadensumme von 40 Millionen Franken bei 8 960 Schadenmeldungen. Das Sturmarchiv Schweiz notierte Hagel an 12 Tagen. Die grössten Schäden mit Hagelkörnern von 5 – 8 Zentimetern Durchmesser fielen im Haut Doubs in Les Planchettes im Kanton Neuenburg.

Fahrzeugversicherungen organisierten Hagel-Drive-Ins

Die Fahrzeugversicherungen erhielten im ersten Halbjahr nach Unwettern etliche Schadenmeldungen. Bei der Mobiliar waren es 20 000 in der Höhe von hochgerechnet 92 Millionen Franken. Fast zwei Drittel davon betreffen beispielsweise Hagelschäden an 12 000 Fahrzeugen. Die Vaudoise rechnet mit 2 000 Hagelschäden mit einer durchschnittlichen Schadenhöhe von 6 Millionen Franken. Einige Versicherungen organisierten Hagel-Drive-Ins und nutzten mit Hagelscannern modernste Technologie.

Ein «Hagelflieger» der Baloise soll vor Hagel schützen

Im Rahmen ihrer Strategie «Simply Safe», die einen konsequenten Kundenfokus zum Ziel hatte, ging die Baloise rund um das Thema Hagelschäden 2018 einen Schritt in die Zukunft und verbreitert ihre Angebotspalette. Der Hagelflieger von Baloise, eine eigens für die Hagelprävention ausgerüstete Cessna, ist seit Anfang August 2018 im Einsatz – jeweils während der Hagelsaison von Anfang Mai bis Ende September. Neben der internen Analyse der Schadendaten arbeitet Baloise eng mit der ETH zusammen, welche den Einfluss der gezielten Impfung von Wolken wissenschaftlich analysiert.

Im Oktober 2020 zog die Baloise eine erste Bilanz. Eine interne Analyse der Anzahl Schadenfälle im Motorfahrzeug-Bereich hat ergeben, dass sich im Vergleich zu den Jahren 2000-2017 der hagelbedingte Schadenaufwand seit Beginn der gezielten Wolkenimpfung  konstant auf einem tiefen Niveau befand. Insgesamt wurden im Jahr 2020 vier «Schadenereignisse» (Tage mit mehr als 50 Schadenfällen) verzeichnet, an denen der Hagelflieger jeweils im Einsatz war. Die durchschnittliche Schadenhöhe war an diesen Tagen rund 10 Prozent tiefer als im Jahresdurchschnitt, was auf eine tiefere Intensität schliessen lässt. Die Anzahl Schadenfälle pro Jahr bewegte sich 2020 seit dem Start des Hagelfliegers insgesamt auf einem relativ tiefen Niveau.

Was erreichte der Hagelflieger?

Um die Hagelwahrscheinlichkeit um bis zu 50 Prozent zu reduzieren, fliegt das mit einer speziellen Sprühvorrichtung bestückte Kleinflugzeug unter die Hagelwolke und setzt im Zentrum der Aufwinde ökologisch unbedenkliches Silberiodid frei. Das Silberjodid fungiert als Eiskeim. «Es verhindert durch diese Eigenschaft, dass sich grosse und schwere Hagelkörner bilden, die Schaden anrichten könnten. Stattdessen entstehen viele kleine Hagelkörner, die auf dem Weg zur Erde zu Schneematsch beziehungsweise im besten Fall zu Regen werden», sagt Fiona Egli, Media Relations Specialist bei Baloise.

Eine der am meisten von Hagel betroffenen Branchen sei die Motorfahrzeug-Versicherung. Aber selbstverständlich werden auch die ganze Landwirtschaft, das Strassenverkehrsnetz, Park- und Freizeitanlagen etc. geschützt. «Zudem werden auch Schäden an Gebäuden wie auch anderen Fahrnissen verhindert beziehungsweise minimiert – davon profitieren nicht nur unsere Kundinnen und Kunden, sondern alle Bewohnerinnen und Bewohner der beschützten Region», so Fiona Egli.

Der Hagelflieger der Baloise ist ab sofort einsatzbereit und wird vom Flughafen Birrfeld aus zunächst die Deutschschweiz abdecken. Eine Erweiterung der Flotte in die Romandie und die italienische Schweiz wird gegenwärtig geprüft.

In welchen Bereichen der Schweiz ist der Flieger im Einsatz?

Das Einsatzgebiet erstreckt sich während der angesetzten Pilotphase zunächst auf die Deutschschweiz. Die Piloten sind während der Hagelsaison abrufbereit für die Einsätze mit dem Hagelflieger, der auf dem Flugplatz Birrfeld bereitsteht. Die Piloten sind jeweils in engem Austausch mit Meteorologen, damit die zu impfenden Gewitter in Echtzeit überwacht werden können und entsprechend die Effizienz des Einsatzes maximiert werden kann. Während der Hagelsaison absolviert der Hagelflieger von Baloise durchschnittlich 22 Flugeinsätze.

Ist Silberjodid gefährlich für Mensch, Tier und Fauna?

«Selbstverständlich wurde der Einsatz von Silberjodid vorgängig unter sämtlichen umwelttechnischen Aspekten überprüft und durch ein Schweizer sowie ein EU- Gutachten als unbedenklich eingestuft», beschwichtigt Fiona Egli. Der Flieger erfülle alle ökologischen Anforderungen des Bundesamts für Zivilluftfahrt BAZL sowie des Bundesamts für Umwelt BAFU.

Das Silberjodgemisch sei in der verwendeten Konzentration ökologisch unbedenklich. In der Schweiz werde mit dem gleichen Stoff schon seit Jahrzehnten mit Raketen Hagelabwehr betrieben. In diesen Gebieten kam es zu keinen nachweisbaren Belastungen der Umwelt, weder im Boden noch in Gewässern oder Lebewesen. Gleiches gelte für Proben, die in den USA und Kanada genommen worden sind. Auch nach Dekaden von Hagelabwehrmassnahmen in eng eingegrenzten Gebieten konnte keine bedenkliche Konzentration von Silber festgellt werden.

Hagelflieger der Baloise noch immer im Einsatz

Der Versicherer hat sich dazu entschlossen, die ursprünglich auf vier Jahre angelegte Pilotphase voraussichtlich bis 2024 zu erstrecken, um beim Entscheid bezüglich der Weiterführung des Projekts die endgültigen Auswertungen der ETH hinzuziehen zu können. Obschon die Baloise in der internen Datenanalyse eine positive Tendenz in der Reduzierung der Schwere der Hagelniederschläge beobachte, sei eine Schlussfolgerung über die Wirksamkeit des Hagelfliegers verfrüht.

Die Baloise sei zudem im Austausch mit einem Panel von Experten (Vertreter von kantonalen Gebäudeversicherungen, vom Bauernverband, vom Schweizerischen Versicherungsverband SVV sowie von der Schweizerischen Hagel-Versicherungs-Gesellschaft) mit welchen die Ergebnisse diskutiert werden und um das weitere Vorgehen zu planen.

Binci Heeb

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Tags: #Baloise #Hagel #Hagelflieger #Schweizer Hagel