Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsindustrie am Chubb-Signature-Event

12. Juni 2023 | Aktuell Allgemein
Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsindustrie am Chubb-Signature-Event am 25. Mai 2023 im Hotel Widder in Zürich. Bild: Kristina Jeromin, Key Note-Sprecherin.
Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsindustrie am Chubb-Signature-Event am 25. Mai 2023 im Hotel Widder in Zürich. Bild: Kristina Jeromin, Key Note-Sprecherin.

Am Signature-Event von Chubb in Zürich zum Thema: «Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsindustrie» hielt Kristina Jeromin die diesjährige Keynote. Als Geschäftsführerin des Green und Sustainable Finance Cluster Deutschland und Mitglied des Impact Committee in der Schweiz wusste die Rednerin mit: «Know your Risks and take your Chances» zu überzeugen.

Jeromin begann mit dem zentralen Schlagwort «Narrativ», die Erzählung zu Sustainable Finance. Mit einem Augenzwinkern fügte sie an, dass dies nichts damit zu tun hätte, Bäume zu umarmen, Socken zu stricken und Müsli zu essen. Die Finanz- und Versicherungsindustrie spiele in einem komplexen System eine zentrale Rolle. Die Frage sei: «Wie finanzieren wir den Umbau der Wirtschaft?». Diese Transformation werde nicht nur lustig, sondern auch schmerzhaft sein und vor allem sehr viel Geld kosten.

Nachhaltigkeit: Was kostet uns die Transformation?

Laut Jeromin handle es sich hierbei um eine völlig falsche Frage, die oftmals von den Medien gestellt werde. So impliziere diese doch, dass sich die Transformation noch verschieben lasse. Vielleicht sei sie in fünf Jahren günstiger oder man lasse sie ganz ausfallen, weil es unbequem und teuer sei. Dies sei das falsche Narrativ, denn wir sollten uns fragen, was uns jeder Tag und jede Stunde kostet, indem diese Transformation nicht gezielt angegangen wird.

Wesentliche Punkte der Transformation

Ein wesentlicher Punkt der Transformation werde sein, dass sie nicht nur Gewinner*innen produziere. Sie werde in drei Bereichen ablaufen. Der erste und unangenehmste Bereich sei das Ausphasen von Geschäftsfeldern. Wenn wir die Klimaziele von Paris und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ernst nehmen, könnten wir uns bestimmte Geschäftsfelder nicht mehr leisten. Deshalb brauche es klare Ausphasungspläne, nicht nur für die Kohle, sondern auch für das Gas. Ein schneller Weg in ein komplett erneuerbares Energiesystem werde benötigt.

Die zweite, deutlich attraktivere Dimension der Transformation sei die Überführung der bestehenden Wertschöpfungsketten auf 1.5 Grad. Hier kommen die Kund*innen und Partner*innen ins Spiel, die teilweise Fussabdrücke von 4.8 Grad hinterlassen. Dieser Wahrheit müssten wir ins Auge blicken. Um die Kerngeschäfte auf 1.5 Grad zu entwickeln und damit Beschäftigungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, bräuchte es Geld, gezielte Investitionen und ein durchdachtes Versicherungsgeschäft.

Der dritte Bereich der Transformation sei der attraktivste. Es gehe um den Aufbau neuer Geschäfte, zum Beispiel Start-up-Finanzierung und Unternehmen, die von vornherein in ihrer DNA Nachhaltigkeit niedergeschrieben hätten, wie beispielsweise Heizungstechniker*innen.

ESG-Kennzahlen

Um alle drei Phasen strategisch sinnvoll, planbar, erwartbar, nicht disruptiv und möglichst frühzeitig abhandeln zu können, brauche es Transparenz. In diesem Zusammengang sind die ESG-Kennzahlen (Environmental, Social, and Corporate Governance) wichtig. So wie sich die Arbeitswelt verändere, veränderten sich auch die Kennzahlen, die einzubeziehen seien, wenn wir der treuhänderischen Pflicht und der Verantwortung unseres Kerngeschäfts nachkommen wollten.

Hier würde nichts nutzen, was man aus Gutmenschentum integriere, sondern besser seien ganz klassische Businessüberlegungen, beziehungsweise die Verantwortung gegenüber den Kund*innen. Die ESG-Kennzahlen sind gerade im Zeitalter der Digitalisierung ein grosses Gut, denn nur sie würden Transparenz und Sicherheit schaffen, um zu verstehen, wo wir aktuell stünden und wie viel Kapital in welche Bereiche einzuplanen sei, etc. Um eine gemeinsame Sprache zu sprechen, bräuchte es auch die Politik und die Regulatorien. Das verstecke sich hinter dem European Green Deal und dem EU Action Plan on Sustainable Finance.

Rotes Tuch: Taxonomie

Die Taxonomie sei ein Begriff aus der Naturwissenschaft und bedeute Klassifizierungssystem. Es existiere aktuell für Unternehmensaktivitäten hinsichtlich der Frage, ob diese ökologisch nachhaltig seien. Die Technical Expert Group, eine Gruppe aus Expert*innen aus ganz Europa, habe die Grundlagen dieser Taxonomie festgelegt. Diese würdige im Wesentlichen nicht nur die Nachhaltigkeitsleistung, sondern sie stelle auch die Frage, ob, während eine Unternehmensaktivität ein Umweltziel der EU befördere, kein signifikanter Schaden an einem anderen Ziel entstehe. Laut der Taxonomie-Verordnung gilt eine Wirtschaftsaktivität dann als taxonomiekonform, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem von insgesamt sechs Umweltzielen leistet, ohne den anderen zuwiderzulaufen: Do no significant Harm (DNSH).

Dies sei auch der Hintergrund zur sehr prominenten Atomdiskussion darüber, ob ein Atomkraftwerk nachhaltig sei. Laut EU-Kommission laute die Antwort: Ja, denn während des Betriebs sei der Co2-Ausstoss eines Atomkraftwerks grün. Ein Unterpunkt des «Do no significant Harm» ist jedoch die Kategorie Abfall. Niemand könne demnach sagen, dass Atomkraft hier punkten würde. In der Silvesternacht 2021/22 habe die Kommission kurzfristig die Empfehlung der Expert*innenkommission gekippt und Gas und Atom in ein grünes Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen aufgenommen.

Green Asset Ratio

Die Green-Asset-Ratio besage, wie viel Investment, gemessen an der Taxonomie, nachhaltig sei. Während Atom und Gas im aufgeweichten Klassifizierungssystem enthalten seien, könnten Investments in kleinen Gewinnfirmen nicht in die Green-Asset-Ratio aufgenommen werden. Diese fielen nämlich nicht in den Anwendungsbereich der Corporate-Sustainability-Reporting-Directive, wonach mindestens 500 Mitarbeitende angestellt sein müssten.

Der Anwendungsbereich der Corporate-Sustainability-Reporting-Directive werde nun auf 250 erweitert, was viele mittelständische Unternehmen betreffen würde.

Dialog- und Expertisenaufbau

Ein wesentlicher Service, den Versicherer den Unternehmen, mit denen sie in Zukunft arbeiten, zur Verfügung stellen würden, sei die Begleitung durch diese Transformation. Gerade wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen noch nicht perfekt und die Standards noch nicht da seien, würde es nicht anders gehen, als sich mit der Realwirtschaft enger ins Benehmen zu setzen. Dazu sei es beispielsweise wichtig, Datenräume in Innovationshubs zu schaffen, damit die Unternehmen ihre Finanzdaten nicht an viele verschiedenen Stellen lieferten, sondern so etwas wie den European Single Access Point (ESAP) aufbauten und mit Daten fütterten.

Die Suche nach gemeinsamen Antworten im direkten Austausch mit den Kund*innen werde eine wesentliche Unique Selling Proposition (USP) sein. Voraussetzung für bestimmte Finanzierungsmodelle seien verbindliche Endpunkte, da die Firmen auf dem Weg im Rahmen der Transformation sonst nicht weiterkämen. Kristina Jeromin empfiehlt, nicht auf die perfekte Regulierung zu warten, weil diese so schnell nicht passieren werde. Besser man bilde interne Zirkel mit den Menschen, die sich um diese Themen kümmerten und diese Strategien entwickelten. Diese Papiere hätte man, wenn es Ernst würde, bereits in der Schublade. Und sehr ernst würde es schon sehr bald.

Allianzen beitreten

Bei Sustainable Finance handle es sich um keinen Marketing-Gag. Der Beitritt zum Beispiel in die Net-Zero Asset Owner Alliance  könne von Vorteil sein. Ein Austausch mit anderen zu diesen Themen im vorwettbewerblichen Bereich würde auch nach innen sehr wichtige Impulse setzen. Am Ende gehe es auch um die Frage, wie Risiken zukünftig abgebildet würden. Die Klimakrise und ihre Auswirkung würden uns davon abbringen, neue Antworten zu finden. So lange die Regulierungen noch nicht so hart seien, hätte man noch einen gewissen Spielraum. Eine umfassende Expertise bei den einzelnen Versicherern werde zum Alleinstellungsmerkmal.

Nachhaltigkeit betreffe die Finanz- oder Versicherungsbranche ganz zentral in ihrem Tun, so Jeromin, denn nicht die Frage, ob wir die Welt retten, sei wichtig, sondern ob wir die Verantwortung, die wir in diesem volkswirtschaftlichen Geschehen haben, noch gerecht werden.

Binci Heeb

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