Versicherungsbroker-Forum 2023: VAG-Revision und ihre Implikationen auf den Brokermarkt

9. Juni 2023 | Aktuell Allgemein
Versicherungsbroker-Forum 2023: v.l.n.r. Linda Fäh, Birgit Rutishauser, Urs Arbter, Dr. Martin Kessler, Dr. Olivier Fabre, David Gerber.
Versicherungsbroker-Forum 2023: v.l.n.r. Lea Fäh, Birgit Rutishauser, Urs Arbter, Dr. Martin Kessler, Dr. Olivier Fabre, David Gerber.

Das diesjährige Versicherungsbroker-Forum bot eine Vielfalt von Themen, unter anderem das neue Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), dessen Revision die Broker*innen mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Das neue VAG wird am 1. Januar 2024 eingeführt. Ein hochkarätiges Podium unter der Leitung von Lea Fäh, Redaktorin Finanz und Wirtschaft, diskutierte über die teilweise einschneidenden Punkte.

Die Gäste von Lea Fäh waren: Urs Arbter, Direktor Schweizerischer Versicherungsverband SVV, Dr. Olivier Fabre, Wirtschaftskanzlei Schellenberg Wittmer, David Gerber, Staatssekretariat für internationale Finanzfragen, Dr. Martin Kessler, Vizepräsident Swiss Insurance Brokers Association SIBA und Birgit Rutishauser, Leiterin des Geschäftsbereichs Versicherungen und Mitglied der Geschäftsleitung Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA.

Gebundene und ungebundene Versicherungsvermittler*innen

Gut aufgenommen wurde von allen, dass die VAG-Revision genau definiert, was einen ungebundenen von einem gebundenen Versicherungsvermittler unterscheidet. Dies werde jedoch noch relativ schlecht durch die Aufsichtsverordnung AVO geregelt. Eine grosse Umstellung sei, dass ein Versicherungsvermittler nicht mehr gleichzeitig gebunden und ungebunden tätig sein dürfe. Nach Inkrafttreten des Gesetzes haben die Vermittler, die ungebunden sein wollen, gerade einmal sechs Monate Zeit, sich neu zu registrieren. Dies werde eine massgebende Auswirkung auf die Marktstrukturen bedeuten, welche noch zunehmen könnten.

«Nach Inkrafttreten des revidierten VAG müssen sich Unternehmen, die gebunden und ungebunden sind, so aufstellen, dass sie sich aufteilen», so Dr. Oliver Favre. Es seien zwei separate Rechtsträger nötig, wofür es eine Ausgliederung brauchen werde. Neue Gesellschaften müssen gegründet und die Firmen von der FINMA als ungebundene Vermittlerin lizensiert werden. Um von der sechsmonatigen Übergangsfrist profitieren zu können, empfehle es sich, einen ungebundenen Vermittler schon nach altem Recht aufzusetzen. Für die Umsetzung von Ausgliederungen gäbe es verschiedene Lösungsansätze.

Abgrenzung der Vermittlungstätigkeit zu Adressvermittlungen

Die Revision bringe nicht nur mehr Schärfe für die Unterscheidung von gebundenen und ungebundenen Versicherungsvermittler*innen, sondern auch bezüglich der Abgrenzung von Vermittlungstätigkeit zu Adressvermittlungen im nicht regulierten Bereich. Für eine Online-Vermittlungsplattformen, wie beispielsweise Comparis, stelle sich unter anderem die Frage, inwiefern sie noch im Bereich der unregulierten Tätigkeit unterwegs sei. Massgebend wäre hier, ob eine produktbezogene Beratung vorläge oder ob eine Interaktion mit den Kund*innen vorgenommen werde.

Nachweis für den guten Ruf und die Gewähr für die Erfüllung der Pflichten

Neu müssten die Vermittler*innen, um aufgenommen zu werden, gegenüber der FINMA einen Nachweis vorlegen, wonach sie einen guten Ruf genössen und es Gewähr für die Erfüllung der Pflichten nach VAG gäbe. «Der Nachweis des guten Rufes wird in der Finanzbranche schon längst für leitende Positionen in Versicherungsunternehmen und Banken verlangt», so Birgit Rutishauser. Die Gewähr sei aufgeteilt in eine sogenannte Properness, wonach man sich anständig zu benehmen habe und eine Fitness, die sich in der Aus- und Weiterbildung ausdrücke. Eine wichtige Kontrolle würde der einzureichende Strafregisterauszug sein.

Wenn jemand die Auflagen des VAG nicht mehr erfülle, werde er oder sie aus dem Register ausgetragen. Wenn die Auflagen wieder erfüllt seien, könne jederzeit ein neuer Antrag gestellt werden.

Mindeststandards

In der Aufsichtsverordnung (AVO) sind die von der FINMA anerkannten Mindeststandards vorgegeben. «Diese Lösung bietet vom Gesetzgeber sehr viel Flexibilität», so David Gerber. Urs Arbter ist der Meinung, dass – um die Reputation als Branche hochhalten zu können – man als Branche grosses Interesse an hohen Qualitätsstandards habe. Als Beispiel nannte er das Gütesiegel für Versicherungsberater*innen Cicero.

Künftig werde es Prüfungen geben, bei welchen man sich entsprechend beweisen müsse. Mit dem Berufsbildungsverband der Versicherungswirtschaft VBV gäbe es eine Organisation, die prädestiniert sei, diese gesetzlichen Erwartungen voranzutreiben. Dies sei für die gesamte Branche so, inklusive der Ungebundenen und der verschiedenen, kanalspezifischen Branchen.

«Für die ungebundenen Vermittler wird insbesondere zu beachten sein, wie die Unabhängigkeit sichergestellt werden kann», so Dr. Olivier Favre. Ungebundenen Vermittler würden beispielsweise keine Verträge mit Versicherungen abschliessen dürfen, die in das Treueverhältnis mit den Versicherungsnehmern «dazwischenfunkten». Diesbezüglich werde eine strenge Kontrolle nötig sein.

Transparenz bei Courtagen und Kommissionen

Das neue VAG verlangt mehr Transparenz bei Courtagen und Kommissionen. Kund*innen müssen in Zukunft über die Gebühren im Zusammenhang mit der Vermittlungsdienstleistung von Dritten Auskunft geben. Es brauche einen Waiver, wonach der Kunde zustimmte, dass diese Bezahlung von Dritten vom Vermittler einbehalten werden könne und nicht herausgegeben werden müsse, so Dr. Olivier Favre.

Ombudsstelle für die Privatversicherungen und die SUVA: «Never change a winning horse»

Urs Arbter ist der Meinung, dass man ein erfolgreiches Pferd nicht wechseln sollte. Die erfolgreiche Ombudsstelle, Ombudsman der Privatversicherung und der Suva, gäbe es bereits seit 50 Jahren. Mehrere hundert Fälle würden dort jedes Jahr behandelt. Zum ersten Mal hätte sich damals eine Branche organisiert und etwas gewagt. Er frage sich darum, weshalb dies nun anders geregelt werden sollte und ist froh, dass das Parlament diese Sichtweise geteilt habe. Es existiere eine zweite Ombudsstelle Krankenversicherung, wo die Gesundheitsfragen im Vordergrund stünden. Bei beiden Stellen seien die Broker*innen nicht mit angeschlossen.

«Wir haben in der Vernehmlassung zusammen und auf Initiative des Ombudsmans der Privatversicherungen eine Lösung präsentiert» sagt Dr. Martin Kessler von der SIBA. Der Ombudsman fand 16 Fälle mit Broker*innen. Aus politischen Gründen hätte die SIBA gesagt, dass der Verband nicht die freiwillige Ombudsstelle für Broker*innen sein könne, da diese unabhängig sein müsse. Bei den Kund*innen der SIBA-Mitglieder*innen müsse man sich auf Augenhöhe treffen und mit den Kund*innen eine Lösung finden.

Urs Arbter, Direktor SVV und Dr. Martin Kessler, Vizepräsident SIBA.

Bei drei Ombudsstellen sei es wichtig, diese genau zu beschreiben, um sie auseinanderhalten zu können. Richte sich ein Kunde an den falschen Ombudsmann, müsse dieser das Anliegen unkompliziert an die richtige Stelle weiterleiten, so Urs Arbter.

«Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen.»

Zusammenfassend lässt sich in brechtscher Manier, wie in: «Der gute Mensch von Sezuan, Epilog (Der Spieler)» sagen, dass das neue VAG vor allem für Versicherungsbroker*innen enttäuschend ist. Es ist sicher korrekt, dass die unabhängigen Vermittler*innen über die geforderte Ausbildung und Weiterbildung und persönliche Integrität verfügen sollen und dies kontrolliert wird. Warum aber nicht die Versicherungsvertreter*innen? Sind es nicht sie, die oft von Ihren Arbeitgeber*innen gezwungen werden die Kunden «über den Tisch zu ziehen», weil sie Budgets erfüllen müssen?

Die FINMA verlangt nach Transparenz, die zur Fichensammlung führen kann und dem Datenschutzgesetz völlig widerspricht. Die Kund*innen der Broker*innen sind völlig transparent, da die FINMA über alles Bescheid weiss. Ist es nicht nur eine Frage der Zeit, bis diese Fischen missbraucht werden? Wie sollen die vielen Forderungen an unabhängige Vermittler*innen im digitalen Vertrieb erfüllt werden?

Eine Vermischung der Tätigkeit von unabhängigen und abhängigen Vermittler*innen ist eine Tatsache. Die kann nicht einfach per Dekret aus der Welt geschafft werden. Sie wird nie kontrollierbar sein. Viele Vermittlungsbroker*innen sehen darin einen groben Fehler im VAG, der möglicherweise in der Zukunft vom Bundesgericht korrigiert werden muss.

Binci Heeb

Der nächste Beitrag über das Versicherungsbroker-Forum folgt am Freitag, 16. Juni 2023.

Lesen Sie auch: Versicherungsbroker-Forum 2022: Neuste Entwicklungen am Brokermarkt


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