Mitarbeiterüberwachung: Wenn der Chef aus der Ferne die Arbeit überwacht

14. November 2022 | Aktuell Allgemein
Mitarbeiterüberwachung: Wenn der Chef die Arbeitnehmenden bespitzelt. Bild von Gregory Wake auf flickr.com
Mitarbeiterüberwachung: Wenn der Chef die Arbeitnehmenden bespitzelt. Bild von Gregory Wake auf flickr.com

Seit der Corona-Pandemie arbeiten mehr Mitarbeitende im Homeoffice – auch heute noch. Dies veranlasst Firmen nach Systemen zur PC-Überwachung aus der Ferne zu suchen. Aber sind Mitarbeiterüberwachungssoftwaren überhaupt erlaubt?

Der Horror aller Chefs: Nachdem mit den Mitarbeitenden vereinbart wurde, dass sie auch im Homeoffice arbeiten können, wird festgestellt, dass einzelne Arbeitnehmer während der abgemachten beruflichen PC-Präsenz nicht immer erreichbar und damit auch nicht für die Firma tätig sind. Damit drängt sich, nicht immer unberechtigt, der Verdacht auf: Während der Officezeiten wird gerne auch einmal der Hund Gassi geführt, das Kind in die Schule gebracht, eingekauft, der Coiffeur besucht oder vieles mehr.

Was also unternehmen? Zunächst mit dem fehlbaren Mitarbeiter sprechen. Doch wenn dies das Problem nicht löst, könnte ein Mitarbeiterüberwachungssoftware die Probleme des Vorgesetzten lösen.

Vorteile einer Mitarbeiterüberwachungssoftware… für den Vorgesetzten?

Zunächst bringt eine Überwachungssoftware des PCs dem Vorgesetzten Informationen über die Computernutzung der einzelnen Mitarbeitenden während der Arbeitszeit. Überwacht werden die Internetnutzung und das Surfverhalten, indem aufgezeichnet wird, wann sich Benutzer an ihrem Computer anmelden. Zur Messung der Effizienz der Angestellten sammelt die Software zudem Daten, unter anderem über die Nutzung des Internets und der sozialen Medien. Sie erfasst verwendete Anwendungen, speichert aufgerufene URLs sowie alle erfassten Daten.

Die Software kontrolliert und misst die Aktivität der Mitarbeitenden während des Arbeitstages sowie die Länge des Aufenthalts im Internet und auf den diversen Social Media Plattformen. Schliesslich prüft sie, ob der für die Arbeit zu nutzende Computer auch für die vorgesehenen Zwecke benutzt wird. Mit diesen Informationen kann ein Unternehmen auswerten, wie die einzelnen Angestellten arbeiten und ihre Zeit verbringen. Das klingt unheimlich und ist gesetzlich mit starken Einschränkungen abgedeckt.

Was genau ist erlaubt?

Erlaubt ist, den Inhalt von externen Telefongesprächen, zum Beispiel mit Kunden, zur Leistungskontrolle oder aus Sicherheitsgründen aufzuzeichnen. Anrufende Personen, deren Gespräch aufgezeichnet wird, müssen damit einverstanden sein und jeweils rechtzeitig darüber informiert werden. Dies geschieht heute bei der überwiegenden Anzahl von grösseren Unternehmen, wie Versicherungen, Banken, selbst Swisscom und vielen anderen automatisch über eine Bandansage vor Beginn der Unterhaltung. Damit sind selbstverständlich auch die Aussagen des kontaktierten Firmenvertreters registriert und auswertbar. 

Während der Arbeitgeber nicht das Recht hat, Arbeitnehmende während der Mittagspause zu überwachen, darf er aber untersuchen, was sie während der Arbeitszeit tun. Dies aber nur dann, wenn das individuelle Verhalten nicht überwacht wird, so der Eidgenössische Datenschutz und Öffentlichkeitsbeauftragte EDÖB.

… und was verboten?

In Artikel 26 des Arbeitsgesetzes ist zu lesen, dass Überwachungs- und Kontrollsysteme, die das Verhalten der Arbeitnehmenden am Arbeitsplatz überwachen sollen, nicht eingesetzt werden dürfen. Überwachungs- und Kontrollsysteme, die aus anderen Gründen erforderlich sind, beispielsweise für Sicherheits- oder für Leistungsüberwachung, dürfen die Bewegungsfreiheit der Arbeitnehmenden nicht beeinträchtigen. Der Arbeitgeber darf auch keine privatrechtliche Abmachung – beispielsweise durch ein Abkommen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden – treffen.

Gemäss dem EDÖB dürfen Überwachungs- und Kontrollsysteme nicht zum Zweck eingesetzt werden, welche das Verhalten der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz überwachen. Zur Gewährleistung der Privatsphäre der Angestellten ist zu empfehlen, vor jeder Benutzung des Fernwartungs-Tools die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Mitarbeitenden einzuholen. Die Einsätze des dieses Tools müssen protokolliert werden. Zudem werden in der Firma angestellte Informatiker bei widerrechtlichem Einsatz des Instruments zivil- und strafrechtlich gebüsst.

Krankheit und schlechtes Arbeitsklima

Man muss kein Psychiater sein, um zu wissen, dass Mitarbeiterüberwachung, wie hier beschrieben, keine gute Idee ist. Ganz im Gegenteil kann sie das Betriebsklima verschlechtern, zu starker Belastung und sogar Burnouts führen. Der Anteil der Erwerbstätigen, deren Job-Stress-Index kritisch ist, beträgt 2022 laut Gesundheitsförderung Schweiz 28,2 Prozent. Davon fühlen sich über 30,3 Prozent emotional erschöpft.

Arbeitsbedingungen, die in die Berechnung des Job-Stress-Index einfliessen sind: Zeitdruck, Unklarheit bezüglich Arbeitsaufgaben, arbeitsorganisatorische Probleme, qualitative Überforderung, soziale Belastungen durch die oder den Vorgesetzte*n und soziale Belastungen durch Arbeitskolleg*innen. Zu schnell geben Mitarbeiter*innen ihren Vorgesetzten ein für sie inakzeptables Einverständnis aus Angst bei einem Nein den Job zu verlieren. Der Druck, die Arbeit unter solchen Umständen noch korrekt zu erledigen, ist oft enorm. Der auf die Arbeit bezogene Stress kostet die Wirtschaft rund 6,5 Milliarden Franken.

Somit liegt das ökonomische Potential, das sich durch eine Reduktion von arbeitsbezogenem Stress ergibt, auf der Hand.

Binci Heeb

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Tags: #Arbeitsgesetz #EDÖB #Homeoffice #Mitarbeiterüberwachung #Mitarbeiterüberwachungssoftware