Immer mehr Schäden an Gebäuden durch Naturereignisse

6. August 2021 | Aktuell
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Naturereignisse werden zur ernsten Gefahr, wenn Menschen, Gebäude oder Infrastrukturen betroffen werden. Die Gefährdung bei solchen Geschehen erhöht das Risiko für Hochwasser, Murgänge, Rutschungen und Sturzprozesse gerade in der Schweiz. Aufgrund der intensiven Raumnutzung und der Ausdehnung in potenziell gefährdete Gebiete steigen die möglichen Schäden ständig an.

Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs nahm die Siedlungsfläche in der Schweiz um das Sechsfache, zu. Von 50 000 Hektaren auf über 300 000 Hektare im Jahr 2009. Im gleichen Zeitraum verdoppelte sich die Schweizer Bevölkerung. Beim Bundesamt für Umwelt BAFU liegt der Fokus auf Gebieten mit einer erheblichen oder mittleren Gefährdung. Immer häufiger finden sich die grössten Risiken jedoch nicht mehr alleine in diesen Regionen, sondern mittlerweile auch in diesen, bei denen man bisher eine geringe Bedrohung angenommenen hat. Aus diesem Grund trägt eine risikobasierte Raumplanung diesem Aspekt nun stärker Rechnung.

Jahrhundertereignis 2005

Um die Regenfälle und Überschwemmungen in diesem Sommer in ein Verhältnis zu setzen, wird immer wieder das Jahrhundertereignis von 2005 herangezogen. Damals sorgten starke Niederschläge vom 19. bis zum 23. August 2005 für verheerende Hochwasser. Grund dafür war eine sogenannte 5b-Wetterlage, in welcher die Luftmassen von ihrer üblichen West-Ost-Richtung nach Süden abweichen, sich über dem Mittelmeer erwärmen und stark mit Feuchtigkeit aufladen können. Innerhalb von 48 Stunden wurden damals im Berner Oberland, der Zentralschweiz und Teilen Graubündens mehr Niederschläge gemessen als üblicherweise im ganzen Monat August.

Raumnutzung und Gefahrensituation

Damit auf Naturgefahren adäquat reagiert werden kann, müssen zuvor die Gefährdungen bereits erkannt werden. Die Gefahrenkarten zeigen auf, wo, in welchem Ausmass und mit welcher Wahrscheinlichkeit in der Schweiz Siedlungen und Verkehrswege durch Naturgefahren bedroht sind. In den kommunalen Nutzungsplanungen sind erst 73 Prozent umgesetzt. Auch die raumplanerische Sicherung von natürlichen Abflusskorridoren bei Extremwetter-Ereignissen wurde erst vereinzelt realisiert. Zusammen mit Versicherungspartnern hat der Bund 2018 die nationale «Gefährdungskarte Oberflächenabfluss» entwickelt, womit Gefahren frühzeitig erkannt, Schutzmassnahmen ergriffen und Schäden vermindert werden sollen.

Markante Naturereignisse sind gar nicht so selten, werden dann aber erst zur Gefahr und breiten Medienereignisse, wenn Menschen, Gebäude oder Infrastrukturen durch sie betroffen sind. Erst dann erfahren wir meist auch in den Medien davon, während Naturereignisse in abgelegenen Regionen selten an die Öffentlichkeit dringen. Durch die intensivere Raumnutzung und Ausdehnung in potenziell gefährdete Gebiete steigt das Risiko für mögliche Schäden an. Kenntnisse und dauernde Aktualisierung der Voraussetzungen einer sicheren Raumnutzung bilden eine wichtige Grundlage für das Risikomanagement zum Schutz von Menschen und Sachwerten vor Naturgefahren.

Risikoübersicht

Rund 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung wohnt in Gebieten, die von Überschwemmungen betroffen sein könnten. In diesen Gegenden befinden sich auch rund 30 Prozent aller Arbeitsplätze und ein Viertel der Sachwerte (840 Milliarden Franken). Vornehmlich aufgrund der immer heftigeren Starkregenfälle und Hagelvorkommen wird in den nächsten Jahren der Erstellung von Risikoübersichten ein wesentlich grösseres Gewicht beigemessen. Nur wer die Gefahren kennt, kann bestehende Risiken reduzieren, künftige Risiken im Rahmen halten und Schutzmassnahmen priorisieren. Eine nachhaltige Steuerung der Risiken erfolgt primär über die Raumnutzung und -planung.

Schutz vor Naturgefahren: Wer ist verantwortlich?

Für den Schutz vor Naturgefahren sind in der Schweiz verschiedene Parteien involviert. Primär liegt die Verantwortung bei Gemeinde und Kantonen. Der Bund nimmt seine strategische Führungsrolle wahr, indem er Kantone finanziell und fachlich unterstützt. Die Bevölkerung trägt Eigenverantwortung zum Schutz von persönlichen Gütern und der eigenen Sicherheit. Versicherungen schliesslich sichern potenzielle Elementarschäden ab.

Was zählt bei den Versicherungen als Elementarschaden?

Wenn nach einem Hagelschauer oder Starkregen – wie es ihn in den vergangenen Wochen immer wieder einmal gab – die Fenster, Fassade, Türen oder das Dach Schaden genommen haben und repariert oder ersetzt werden müssen, bezahlt die Gebäudeversicherung. In den meisten Kantonen ist diese obligatorisch, nicht aber in Genf, Tessin, Appenzell Innerrhoden, Wallis, Uri, Schwyz und Obwalden. Dort sind ausschliesslich Privatversicherungen zuständig. 

Die Hausratversicherung wiederum zahlt für Möbel, TV-Gerät oder Kleidung, welche durch Überschwemmung oder Feuer zerstört wurden. Sie übernimmt alle Elementarschäden an beweglichen Sachen im Haushalt. Diese Privatversicherung ist, mit Ausnahme der Kantone Nidwalden, Waadt, Freiburg und Jura, freiwillig. Elementarschäden am Auto übernimmt die Kaskoversicherung.

Was bedeutet risikobasierte Raumplanung?

Wichtigste Beteiligte der risikobasierten Raumplanung sind die Gemeinden. Sie sind verantwortlich für die Nutzungs- und Sondernutzungspläne; in einigen Kantonen erteilen sie auch Baubewilligungen. Weitere zentrale Akteure sind die Kantone. Bei ihnen liegt die Aufgabe der kantonalen Richtplanung, aber auch die Schaffung übergeordneter Grundlagen zur Risikobeurteilung. 

Bauherrschaft und Architekturschaffende sowie Gebäudeversicherungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, indem sie konkrete Projekte planen und realisieren, für deren Schutz, korrekte Ausführung und Versicherung sie zuständig sind.

Der Gefährdung durch Naturereignisse begegnet man am effektivsten mit planerischen Massnahmen. Damit bedrohte Gebiete Naturgefahren-gerecht genutzt oder freigehalten werden, müssen die Erkenntnisse aus den Gefahrenkartierungen rasch in die kantonalen Richtpläne und kommunalen Nutzungspläne einfliessen. Dabei kommt der Verletzlichkeit von Bauten, Anlagen sowie robusten, anpassbaren und belastbaren Schutzmassnahmen eine grosse Bedeutung zu. 

Hohe Schäden an Gebäuden

Die bisherigen Schäden an Gebäuden belaufen sich dieses Jahr bisher auf hunderte Millionen Franken (Mobiliar rechnet bisher mit 252 Millionen Franken, Axa mit über 143 Millionen Franken und Helvetia von einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag). Zu den Schäden aufgrund der Gewitter von Dienstagnacht sei noch keine Aussage möglich, die Aufnahme sei noch in vollem Gange, heisst es bei den Versicherungen.. Wie die Sonntagszeitung schreibt, war der Hagelsturm vom 28. Juni mit 12 000 Schadenfällen und einer Schadensumme von 150 bis 200 Millionen Franken das zweitgrösste Ereignis in der 200-jährigen Geschichte der kantonalen Luzerner Gebäudeversicherung. Die Berner Gebäudeversicherung folgt mit 22‘000 Schadenfällen und einer finanziellen Belastung von rund 97 Millionen Franken. Im Vergleich geradezu gering die Belastung der Zürcher Gebäudeversicherung mit 18‘000 Meldungen und einer natürlich dennoch beachtlichen Summe von 60 bis 70 Millionen Franken.

Im Bündnerland stellten gemäss der Zeitung Südostschweiz bereits vor einigen Jahren das Amt für Wald und Naturgefahren und die Gebäudeversicherung fest, dass durch strukturelle Veränderungen viele Häuser nicht mehr adäquat gegen Hochwasser geschützt waren. Grund dafür waren Um- und Einbauten von schwellenlosen Eingangs- sowie Terrassentüren, aber auch Licht- und Lüftungsschächte, die Starkregen nicht mehr standhielten.

Was nun?

Gewitterstürme, Starkregen und Hagel haben in den letzten Wochen viele Schäden verursacht und noch sind wir erst in der Mitte des Jahres 2021 angelangt. Die Pegel in einigen Seen sind sehr hoch, das Wasser muss über die Flüsse abgeleitet und «exportiert», also weitergereicht werden. Mit den damit auch dort steigenden Wassermassen wiederum nehmen die Schäden selbst in scheinbar eher gefahrlos geltenden Gebieten zu. Wenn das Wetter sich nicht endlich über einen längeren Zeitraum beruhigt, reichen die Zahlen bald ans Rekordjahr 2005 heran.

Gemäss der Zeitung Welt am Sonntag muss jede Gemeinde sich erst über folgende Situation im Klaren sein: Welche Extremwetterlagen sind besonders bedrohlich? Was lässt sich dagegen tun, und was davon ist am wichtigsten? Wer ist dafür zuständig, wen sollte man mit an Bord holen? Schliesslich: Wie kann das Ganze organisiert und finanziert werden? Es gilt einen gewaltigen Aufgabenkatalog durchzuarbeiten.

Binci Heeb

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