Heilige Kuh Rentenalter 65: Wieviel wird in anderen Ländern gearbeitet?

21. Juli 2023 | Aktuell Allgemein
Heilige Kuh Rentenalter 65: Immer mehr ältere Menschen wollen länger arbeiten.
Heilige Kuh Rentenalter 65: Immer mehr ältere Menschen wollen länger arbeiten.

Bereits Anfang nächstes Jahr soll in der Schweiz die AHV-Reform umgesetzt werden. Damit wird das ordentliche Rentenalter für Frauen schrittweise jährlich um je drei Monate von 64 auf 65 Jahre erhöht. Die erste Erhöhung für 1961 geborenen Personen weiblichen Geschlechts erfolgt voraussichtlich ein Jahr nach Inkrafttreten der Reform. 1962 geborene Mädchen müssen länger als ein halbes Jahr und 1963 geborene neun Monate mehr arbeiten. Frauen ab Jahrgang 1964 dann ein ganzes Jahr mehr. Damit gilt im Jahr 2028 für beide Geschlechter das Rentenalter 65.

Auch wenn viele Werktätige glauben, dass heute mehr gearbeitet wird als je zuvor, trügt der Eindruck. In unserer Zeit wird in vielen Ländern deutlich weniger gearbeitet als in den vergangenen 150 Jahren. Die Animation von Statista zeigt, dass die durchschnittliche Arbeitszeit der frühindustrialisierten Volkswirtschaften in den letzten 150 Jahren dramatisch zurückgegangen ist. So arbeiteten 1870 die Arbeitstätigen in den meisten Ländern mehr als 3 000 Stunden jährlich, was anstrengenden 60 bis 70 Stunden wöchentlich bei 50 Wochen im Jahr entspricht.

Diese extremen Arbeitszeiten haben sich heute im Durchschnitt halbiert. Bei unserem nördlichen Nachbarn Deutschland sank die jährliche Arbeitszeit um fast 60 Prozent, von 3 284 Stunden im Jahr 1870 auf 1 354 Stunden 2017. Im Vereinigten Königreich betrug der Rückgang rund 40 Prozent. Daten für China liegen erst ab dem Jahr 1970 vor. Während vor 50 Jahren das Reich der Mitte das Ranking anführte und die Arbeitszeit dort noch lange zugenommen hat, ging sie in westlichen Ländern zurück. Gemäss Medienberichten formiert sich in China heute sogar Widerstand gegen die im Vergleich zu anderen Ländern hohen Arbeitszeiten. In der Schweiz wurde 1870 durchschnittlich 11 Stunden täglich gearbeitet, heute ist gemäss Bundesamt für Statistik die 41-Stunden-Woche die Norm. 

Gleiches Rentenalter für Frau und Mann

Die zwischen 1961 und 1969 geborenen Frauen werden für das höhere Rentenalter finanziell entschädigt. Sie erhalten einen lebenslangen Zuschlag auf ihre AHV-Rente, wobei Arbeitstätigen mit tieferen Einkommen ein höherer Beitrag zusteht. Frauen mit einem Lohn bis 58’800 Franken haben in Zukunft Anrecht auf einen monatlichen Zuschlag von maximal 160 Franken. Bei einem Einkommen zwischen 58’800 und 73’500 Franken erhalten sie noch 100 Franken Rentenzuschlag. Ist das Einkommen 73’501+, erhält die Frau 50 Franken mehr als den normalen Rentenansatz. Die Jahrgänge 1964 und 1965 erhalten noch den vollen Zuschlag.

Länger als bis 65 arbeitende Frauen und Männer

Die Reform hat auch Auswirkungen auf den Bezug ab der ersten AHV-Rente. Neu können Frauen und Männer ihren Altersbezug flexibel zwischen dem 63. und 70. Altersjahr beziehen. Auch ein teilweiser Rentenbezug von 20 bis 80 Prozent wird möglich. Beim Rentenvorbezug von einem Jahr wird die Rente nur noch um 4 Prozent anstelle der heute gültigen 6,8 Prozent gekürzt. Beim Rentenaufschub um ein Jahr wird ein Zuschlag von 4,3 Prozent (heute 5,2 Prozent) fällig. Die genauen Sätze wird der Bundesrat frühestens auf Anfang 2027 festlegen.

Wer länger als bis zum bisher üblichen Standard des Pensionsalters 65 arbeiten möchte und mehr als 1’400 Franken monatlich verdient, wird weiterhin in die AHV einzahlen müssen. Während diese Beiträge heute nicht zu einer höheren Rente führen, werden nach Einführung der AHV-Reform auch die nach 65 eingezahlten Beiträge rentenbildend sein. Dies gilt für Frauen und Männer, die noch keinen Anspruch auf die Maximalrente erreichen. Wer allerdings bereits das gesetzliche Maximum erhält, wird diese jedoch nicht weiter erhöhen können. 

Rentenalter rauf, Arbeitszeiten runter

Es ist nur schwer vorhersehbar, wie die künftige Entwicklung der Arbeitszeiten aussehen wird. Jüngere, werktätige Menschen legen ein viel grösseres Gewicht auf die Work-Life-Balance als die älteren. Nine-to-five-Jobs bei 100 Prozent sind gerade bei ihnen nicht mehr Regel, sondern Ausnahme. Flexiblere Arbeitszeiten sind angesagt und viele wünschen sich eine 4-Tage-Woche mit entsprechend kürzeren Einsatzzeiten. Wohin die Reise tatsächlich geht, vermögen in diesen Zeiten selbst die spezialisierten Wissenschaftler nicht vorauszusagen. Ihre derzeitigen Prognosen ähneln mehr Horoskopen der bunten Medien als wegweisenden Analysen.

Binci Heeb

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