Romance Scam oder nicht jede Dummheit lässt sich versichern: Die Geschichte eines amerikanischen 4-Sterne-Generals

26. November 2021 | Aktuell
Foto von Jon Sullivan auf Pixnio

Stellen Sie sich vor, jemand findet Sie auf Facebook und schreibt im Messenger ein kurzes «Wie geht es Dir?». Nun kommt diese Nachricht aber nicht von irgendjemanden, sondern dieser jemand ist kein Geringerer als kommandierender 4-Sterne-General des US Marinecorps. Fühlen Sie sich geschmeichelt, oder läuten bei Ihnen die Schiffs-Alarmglocken?

Es ist erst zehn Tage her, als General Roberts (der Name ist erfunden, denn ein richtiger General mit dieser Anrede existiert wirklich) mich angeschrieben hat. Als Journalistin witterte ich eine interessante Geschichte und liess mich dem Anschein nach auf die virtuelle Bekanntschaft ein. Meine erste Antwort lautete demnach: «Danke, gut und Dir?». Als Nächstes interessierte mich natürlich, was man als kommandierender 4-Sterne-General des US Marinecorps so macht. Er befehle über 10 000 bis 15 000 Marinesoldat*innen und kümmere sich um die taktische Planung und Koordination von Operationen.

Weiter erzählte er, dass er im Irak stationiert und dort für Afghanistan eingesetzt sei, um als kommandierender General für die Stabilität unter der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe zu sorgen. Gefragt, wann er wieder nach Hause reisen könne, antwortete er, «sobald meine Mission im Irak beendet ist». Auch als ich ihm schrieb, dass ich Journalistin sei, er sich aber nicht zu fürchten brauche, da ich überwiegend über Versicherungs- und Brokerfragen schreiben würde, schreckte er nicht zurück. Der hochdekorierte General fand es im Gegenteil «nice».

Vom Messenger zu Google Hangout

«Nice» war auch, dass er jetzt gerne mit mir chatten würde und befreundet sein wollte. Leider hätte er aufgrund seiner militärischen Aufgaben kaum Zeit mir zu schreiben. Nice! denke ich weiter. Somit gibt er mir zu verstehen, dass er nicht ständig online sein kann, was natürlich zu verstehen ist. Da Messenger und andere Dienste nicht sicher seien, wollte er mit mir mittels Google Hangout kommunizieren. Alle Armeeangehörigen seien angehalten, nur diesen Kanal zu nutzen.

Mails, Telefonate oder Videoanrufe seien aufgrund der Sicherheit der Vereinigten Staaten verboten. Verständlich. Auf Hangout, was ich zum ersten Mal überhaupt benutzte, ging das Hin- und Herschreiben weiter. Ich war gespannt, wie lange es dauern würde, bis er mir seine Liebe gestand und ich ihm Geld schicken sollte. Und tatsächlich sollte es nicht lange dauern, nämlich gerade einmal zwei Tage, dauern, bis er schrieb, dass wir unbedingt und immer ehrlich zu einander sein sollten.

Traurige Kindheit

In der Folge drückte er auf die Tränendrüse, indem er erzählte, dass er seine Eltern sehr früh verloren hätte. Daraufhin sei er bei Stiefeltern aufgewachsen, die ihn nicht gut behandelt hätten. Seine schwere Kindheit würde ihn heute noch verfolgen und er sei so traurig darüber, dass er nicht weiter darüber sprechen mochte. Er hätte an der Marine Corps University MCU Geschichte studiert und sei seither im militärischen Dienst geblieben. Nur sein 26-jähriger Sohn bedeute Familie für ihn. 

Immer wieder Wartezeiten

Auf meine Frage, wie er mich auf Facebook gefunden hätte, antwortete er, er sei gelangweilt gewesen und hätte auf Facebook gesurft, wo er mein tolles Profil gefunden hätte und mit mir befreundet sein wollte. Immer wieder gab es längere Wartezeiten, bis der General antworteten konnte, weshalb ich ihn fragte, ob er noch mit weiteren Damen spräche. Seine Antwort war eine Gegenfrage: «Weshalb fragst Du mich das?». Mit meinem «nur so» schien er zufrieden zu sein. Ich hingegen war mir mehr als nur sicher, dass er dieses Spielchen mit zahlreichen anderen gleichzeitig trieb. 

Zivilstand egal

Die Fragen nach Tätowierungen, Piercings, etc. beantwortete ich frei erfunden. Und dann, aus heiterem Himmel, fragte er mich: «Wie ist es, Single zu sein?» Hier hingegen schrieb ich wahrheitsgetreu: verheiratet. Hätte er mein Profil auf Facebook besser angeschaut, wäre ihm dies bekannt gewesen. Doch das schien ihn nicht zu stören, denn weiter ging es: «Falls Du Single wärst, welche Art Mann würdest Du suchen?»

Hier dachte ich, dass ich etwas frecher sein zu dürfte und fragte, ob ich einen Beweis für seine angebliche Identität erhalten könnte, dass er wirklich sei, wer er zu sein vorgebe. «Natürlich bin ich echt», war seine Antwort darauf. Das genügte mir nicht, ich fragte ihn nach einem Bild, welches ihn im Irak zeigte. Natürlich konnte er kein solches schicken und begründete es damit, dass es Militärangehörigen von Gesetztes wegen nicht erlaubt sei, Bilder zu machen. In seiner Basis sei zudem alles videoüberwacht. 

Endlich Liebe

Und dann, nach vier Tagen kam es endlich: «Ich plane nach meiner Pensionierung am Ende des Monats ein kleines Geschäft zu eröffnen. Dazu suche ich die richtige Partnerin, die mich so liebt, wie ich sie.» Aha, also doch. Er suche nach einer seriösen und ehrlichen Frau im Alter von ungefähr 45. In diesem Punkt hatte er seine Aufgaben ebenfalls nur sehr schlecht gemacht, meine Altersangabe auf Facebook hätte ihn schlauer machen müssen. Er sei Single, nachdem seine Frau vor acht Jahren verstorben sei.

Am Tag vier unserer Konversation schrieb er dann klipp und klar, dass sein Herz ihm sage, ich sei die richtige Frau seiner Träume, nach der er seit Jahren gesucht habe. Bei dieser Aussage bat ich ihn erneut um einen Fotobeweis. Natürlich kam nichts. Dafür dies: Er fragte, ob er mir vertrauen könne. Er ginge vielleicht diese Woche am Freitag nach Hause, deshalb hätte er eine kleine Bitte. Als General hätte er viele Feinde, die seine Reputation gefährden wollten, weshalb er mich bat, ihm zu helfen. Dann kamen vier unglaublich kitschige Liebesbezeugungen, die er irgendwo aus einem Buch kopiert hatte. 

Neu fragte er mich nach meinem Kosenamen. Da ich nichts parat hatte, schrieb ich ihm, dass er mich nennen dürfte, wie er wollte. Er nannte mich fortan «honey». Ich hingegen bevorzugte seinen Vornamen. Und dann kam Tag sechs. Er wollte mir etwas sehr Wichtiges, was ein Geheimnis bleiben musste, mitteilen. Nun folgte die abenteuerlichste Geschichte einer typisch amerikanische Tellerwäscher-Karriere, die ich je gehört habe.

Vom Verdingbub zum reichsten US-General 

Er erzählte, dass alle Top-Armee-Generale ein Portfolio besässen, welches ihnen vom amerikanischen Staat für ihre Arbeit im Irak und Afghanistan gegeben würde. Es enthalte alle seine Arbeitsdokumente sowie Goldbarren, Silber, Diamanten, Schmuck und andere Wertgegenstände. Das Portfolio sei 15 Millionen Dollar wert und würde in einem Lagerhaus aufbewahrt. Doch ihre Basis wurde beschossen, wobei drei Soldaten starben. Im Moment stünde auch das Lagerhaus unter Beschuss, weshalb es dort nicht mehr sicher sei.

Ich entgegnete, dass ich nichts darüber in den Nachrichten gelesen hätte. Er wiederum beteuerte den Wahrheitsgehalt seiner Geschichte und dass man ihnen mitgeteilt hätte, ihr Portfolio sofort nach Hause zu schicken. Da er niemanden hätte, sein Sohn ebenfalls im Militär sei, würde er die gesamten Kostbarkeiten gerne mir schicken. Hier könnte er sie nach seinem Ausscheiden aus der Armee abholen. Als ich erneut ein Bild von ihm verlangte, welches ihn im Irak zeige, schickte er mir zum Beweis das Foto eines Koffers mit Goldbarren und Münzen. Interessant nur, dass die Münzen das Konterfei der britischen Monarchin zeigten.

Das Portfolio des Romance-Scammer-Generals

Wo sind Ihre Sterne, Herr General?

Ich gab nicht auf und verlangte erneut ein Bild von ihm. Schliesslich kam auch eines, welches jedoch online unter dem Namen des echten General Roberts aufzufinden ist. Also stellte ich ihn erneut auf die Probe und verlangte diesmal ein Bild, bei welchem er auf einer Seite zwei der vier Sterne entfernen sollte. Natürlich konnte er meinem Wunsch nicht nachkommen und schrieb, dass ich ihn ja blockieren könnte, falls ich ihm nicht vertraute. Danach war stundenlang Pause bis ich ihn anderntags scheinbar kleinlaut fragte, was ich für ihn tun sollte.

Nicht eben diplomatisch 

Der General schrieb, dass mir der Koffer mit dem «Portfolio» von Diplomaten überbracht würde, da nur sie dazu berechtigt seien. Sie würden mich kontaktieren und mir mitteilen, wann ich den Koffer erhalten solle. Und dann endlich: Es werde jedoch zu Liefergebühren kommen. Ich sollte 5 000 Dollar bezahlen, welche er mir selbstverständlich, sobald er zurück in den den USA sei, zurückerstatten würde.

Zunächst sollte ich das Geld in einem braunen Couvert am Folgetag an eine bestimmte Adresse schicken. Stunden später schrieb er, dass dieser Weg doch zu unsicher sei und ich das Geld überweisen solle.

Es dauerte gerade einmal neun Tage, bis dieser «Romance Scam» oder Heiratsschwindel, wie man solche Betrügereien nennt, seinen Höhepunkt erlebt

Romance Scammer – Liebhaber, die Gerichte interessieren

Anders als bei anderen Arten von Cyberkriminalität werden bei dieser Betrugsart zum Teil äusserst geschickt gefälschte Profile auf Social Media und Internet-Partnerbörsen erstellt, um verzweifelten, einsamen Personen Verliebtheit vorzuspielen und sie dann finanziell auszunehmen. 

Nachdem ich den Romance Scammer blockiert hatte, erfolgte meine Meldung an das Nationale Zentrum für Cybersicherheit NCSC, welches bestätigte, dass es sich um einen echten Romance Scam handelte. Diese Betrüger würden sich häufig als tatsächlich bestehende, ahnungslose Armeeangehörige ausgeben, um das Vertrauen der Opfer zu erschleichen. Da das NCSC keine Strafverfolgungsbehörde sei, sollte eine Strafanzeige bei der örtlichen Polizei gestellt werden. 

Nicht versicherbar

Gegen Love-Scamming kann man sich nicht versichern. Hier hilft eigentlich nur der gesunde Menschenverstand. Doch in einer verzweifelten Situation kann dieser auch einmal aussetzen. Opfer sollten sich deshalb nicht dafür schämen, jedoch unbedingt das involvierte Zahlungsinstitut kontaktieren, um weitere Geldabflüsse zu verhindern oder veranlasste Zahlungen widerrufen zu können. Zur Sicherheit sollte man auch die Kreditkarten sperren.

Binci Heeb


Tags: #NCSC #Romance Scam