Metaverse: Inacta und Smile bringen Versicherung ins Web3.0

27. Januar 2023 | Aktuell Allgemein Interviews
Metaverse:Daniel Rutishauser, Partner, Head of Financial Services & Head of Blockchain Services bei Inacta AG.
Metaverse: Daniel Rutishauser, Partner, Head of Financial Services & Head of Blockchain Services bei Inacta AG.

Das Schweizer IT-Unternehmen Inacta AG mit Sitz in Zug wurde 2009 gegründet. Es unterstützt die Versicherungsbranche sowie die Banken-, Immobilien- und Gesundheitsbranche. Über 100 erfahrene Digitalisierungsexperten stehen den Firmen beratend beiseite. Seit dem 10. Januar 2023 ist der Versicherungsabschluss beim Digitalversicherer Smile im Metaverse möglich.

thebroker im Interview mit Daniel Rutishauser, Partner, Head of Financial Services & Head of Blockchain Services bei Inacta AG.

Wie lange dauerte es von der ersten Anfrage durch Smile bis zur Implementierung des Metaverses auf deren Website?

Ich habe nachgeschaut. Vom Erstkontakt bis zum Rollout vergingen keine zwei Monate. Dies war möglich, da die Smile schon ziemlich genau wusste, welche Anwendungsfälle sie umsetzen wollen und eine klare Vision ihrer Metaverse-Präsenz haben. Dies, weil sie auch schon erste Erfahrungen und eine erste Präsenz lanciert hatten. Nun ging es aber um eine Weiterentwicklung mit der nötigen Reife. Natürlich kommt mit dem Essen der Appetit und es wurde mehr umgesetzt als anfänglich besprochen, sonst wären wir noch früher fertig gewesen.

Man kann nun neu bei Smile virtuelle Kundenberatungen buchen. Wie muss man sich das vorstellen?

Oft wird gesagt, dass die Leute im Web2 abgeholt und ins Web3 geführt werden. So ist es auch hier. Momentan ist es so, dass ein Kunde auf der Webseite einen Termin buchen kann. Zum vereinbarten Zeitpunkt treffen sich der Kunde und der Smile-Mitarbeiter in einem der virtuellen Räume repräsentiert durch deren Avataren. Natürlich ist das Ganze begleitet von Instruktionen für den Kunden aber auch den Smile-Mitarbeitern, damit das Onboarding im virtuellen Raum reibungslos funktioniert.

Neu können die Haushalt- und Autoversicherung im Metaverse abgeschlossen werden. Eignen sich prinzipiell alle Versicherungen fürs Metaverse?

Im Grundsatz meiner Meinung nach schon. Wenn komplexe Multiparteien-Risikoverträge aufgesetzt und verhandelt werden müssen, geschieht natürlich vieles offline bei den Parteien. Einmal gut vorbereitet kann ein virtuelles Treffen Vorteile bringen, da man im virtuellen Raum mit der VR-Brille weniger abgelenkt wird (z.B. E-Mails beantworten während eines Meetings). Somit sind alle Teilnehmer viel mehr auf das Treffen fokussiert.  Diese Zusammenarbeit im virtuellen Raum hat noch seine Limitierungen. Meta und Mircosoft haben aber bereits angekündigt, dass sie Microsoft Teams und Horizon Workrooms zusammenführen wollen. Ich gehe davon aus, dass schon in kurzer Zeit einige Treffen nicht mehr mit Zoom oder dem heutigen MS Teams stattfinden werden. Nicht zu vergessen und wichtig finde ich noch anzumerken, dass man nicht nur mit der VR-Brille in 3D, sondern auch weiterhin 2D über den Browser oder Mobile teilnehmen kann.

Wie funktioniert so ein Abschluss von Anfang bis Ende?

Ein Kunde oder Interessent bucht direkt über die Smile-Webseite einen Metaverse-Beratungstermin. Es wird lediglich ein kostenloser Account von der Metaverse-Plattform ‘Spatial’ benötigt, damit der Kunde spezifisch vom Kundenberater eingeladen werden kann. Gleich zu Beginn der virtuellen Beratung wird eine Überprüfung der Personalien durchgeführt, damit sich der Kunde nicht als eine andere Person ausgibt. Wurde die Person erfolgreich verifiziert, kann die virtuelle Beratung beginnen. Eine Beratung läuft ganz individuell ab, je nach Fall und Bedürfnis des Kunden. Der Abschluss ist unkompliziert: Man verabschiedet sich mit einem virtuellen Handshake und schliesst allenfalls den Vertragsprozess im Browser ab.

Welche Vorteile bringt so ein Abschluss im Vergleich zu einem herkömmlichen?

Die jüngere Generation wächst in den Game-Welten auf; unter anderem auch mit VR-Brillen. Für sie ist es normal. Junge Leute bekommen teilweise einen Schweissausbruch, wenn sie bei einer Kassiererin in Fleisch und Blut ihren Einkauf bezahlen müssen. Sie fühlen sich komfortabler, die Transaktion anonymer und digital zu tätigen. Zudem ist es eine komplett neue Erfahrung und es macht einfach Spass sich virtuell mit einem 3D-Avatar zu treffen. Kaum jemand von den Nachfolgegeneration empfängt gerne einen Aussendienstmitarbeiter bei sich zu Hause. Das passt nicht in ihr Konzept. Ich glaube aber, dass sie sich bei einem Metaverse-Angebot, repräsentiert durch einen Avatar, wohler fühlen. Und allemal ist das besser als mit einem Chatbot zu kämpfen…

Inacta gilt als Vorreiterin und Expertin rund um Web 3.0 und Blockchain, auch Internet der Werte genannt. Wie und wo werden Kryptowährungen in der Versicherungswelt genutzt?

Kryptowährungen noch nicht so oft. Es gibt ein paar wenige, die beispielsweise Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. Sobald wir einen digitalen Schweizer Franken oder Euro haben, werden wir eine breite Adaption sehen, da in einer atomaren Transaktion der Wert und die Bezahlung abgewickelt werden können. Das wird uns einen neuen Grad an Automatisierung bescheren. Was wir sehen ist, dass Versicherungen weniger auf die Kryptowährungen setzen, sondern auf die mögliche Automatisierung und sichere Datenrückverfolgbarkeit schielen. Ich spreche hier nicht von parametrisierten Versicherungen, da dies ein eigenes und überschaubares Segment darstellt.

Wir hatten vor ein paar Jahren die Gelegenheit mit der IG B2B abzuschätzen, wo im Broker-Geschäft Blockchain Sinn macht, und haben mindestens drei schlagende Anwendungsfälle gefunden. Vielleicht wäre es an der Zeit, diese nun nochmals genauer unter die Lupe zu nehmen und umzusetzen. Den Datenteil finde ich auch noch wichtig. Es ist ein gesellschaftspolitisches Thema, dass wir die Daten-Hoheit dem Individuum zurückgeben wollen. Das ist einer der Eckpfeiler und zugrunde liegenden Motivatoren von Web3. Versicherer tun gut daran ein Verständnis zu entwickeln, was dies für ihr Geschäftsmodell bedeutet. Die zugrunde liegende Technologie, die dies ermöglicht, ist Blockchain respektive wie wir dies als Distributed Ledger Technologies (DLT) zusammenfassen. Die Neuauflage der Schweizer e-ID geht nun in diese Richtung.

Viele Leute, die ich kenne, haben kein Vertrauen in die Blockchain und wissen auch nicht, wie und wo sie angewendet werden kann. Wie überzeugen Sie diese vom Gegenteil?

Vielen Dank für diesen Steilpass 😊 Diese Skepsis gibt es bei jeder neuen technischen Innovation: Als die Eisenbahn aufkam glaubten die Leute, dass sie nicht atmen können, da der Zug so schnell führe und die Luft an einem vorbeizieht. Auch als in den Neunzigern das World Wide Web aufkam, gab es viele Leute, die es verteufelten und sich freuten, als die «Web Bubble» implodierte. Das ist hier nun wieder genau dasselbe. Die Benutzerschnittstelle muss noch vereinfacht und Leuchtturm-Projekte realisiert werden. Wenn die Leute merken, dass beispielsweise. die neue e-ID ihre Daten wirklich schützt und sie diese eventuell sogar monetarisieren können, dann wird auch das Vertrauen kommen.

Was hat Smile Versicherer dazu prädestiniert, als erste ins Metaverse vorzustossen?

Für mich ziemlich offensichtlich: Smile ist eine Digitalversicherung und bedient alle digitalen und relevanten Kunden-Kanäle. Für sie war es einfach klar, dass sie auch die neuen bedienen muss. Dazu nimmt Smile oft die Rolle des First-Movers ein. Klar war auch die Positionierung eher bei einer digital affinen Kundschaft und nicht zuletzt die DNA und Neugier der Organisation, also der Leute dahinter.

Man sagt, dass das Metaverse erst in etwa zehn Jahren weltweit funktionieren wird. Die meisten Menschen haben noch keine VR-Brille (Virtual Reality 3D-Brille), um das Metaversum auszukosten. Funktioniert es auch ohne VR-Brille?

Wir bereits früher erwähnt, ist die VR-Brille nicht bei allen Plattformen Bedingung – aber das Erlebnis natürlich viel intensiver. Momentan kommen monatlich, von Herstellern wie z.B. Meta, neue Brillen auf den Markt. Daher können wir davon ausgehen, dass die Brillen bald «mainstream» werden. So etwa wie damals das Handy. Auf der anderen Seite wissen wir noch nicht, was das künftige Zugangsgerät für das Metaverse sein wird. Es gibt momentan beispielsweise sehr schnelle Innovationen in der holografischen Projektion. Zudem gibt es in Kalifornien eine Firma, die eine Augmented Reality (AR) Linse entwickelt und schon am Menschen, notabene dem CEO, getestet hat. Ich bin gespannt und überzeugt, dass sich hier schnell viel bewegt.

Auch Apple wollte voraussichtlich noch 2023 eine VR-Brille auf den Markt bringen, hat ihre Ankündigung jedoch vor ein paar Tagen wieder zurückgezogen. Ist der Kauf – ausser für Gamer – nicht zu früh, wenn das Metaverse erst in zehn Jahren so richtig abheben soll?

Hmm. Wir wissen ja noch nicht genau, was Apple auf den Markt bringen wird. Wahrscheinlich eine xR Brille, also eine Brille für virtual, augmented und mixed Reality. Apple hat mehrfach bewiesen, dass sie die Mensch-Maschine-Schnittstelle revolutionieren können. Daher werden deren Konzepte mit Spannung erwartet. Ob die Brille für Gamer ausgelegt ist, oder für andere Geschäftsfälle werden wir sehen. Ich bin kein Gamer und habe mir privat eine Brille gekauft nicht nur um fürs Geschäft zu üben, sondern um die neuen Möglichkeiten zu entdecken. Genauso in den Neunzigern, wo ich mir ein Modem gekauft habe und im Internet «gesurft» bin und ich noch nicht genau wusste, was es mir bringt. Ich war ein «Early Adopter» und konnte beruflich Kapital schlagen.

War Smile Ihr erster Metaverse-Auftrag?

Nein. Wir beraten viele Organisationen. Nur sind die meisten noch nicht in der Umsetzung angelangt, oder nur intern. Warum? Weil wir für nachhaltige Lösungen stehen. Wir haben momentan sehr viele Engagements rund um Metaverse. Zudem sind wir über eine unserer Töchterfirmen auch in Metaverse-Plattformen und -Elementen investiert, wo wir glauben, dass sie Sinn machen und wir sie für unsere Kunden einsetzen können.

Die Zusammenarbeit mit einem Versicherer ist für Sie nicht neu. Was bieten Sie sonst noch an?

Ja, das ist richtig. Wir kommen vom Versicherungsumfeld und die meisten Projekte haben wir immer noch da. Wir sind in vielen anderen Branchen unterwegs, die eine Nähe dazu haben, wie Banken und Finanzdienstleister, Leistungserbringer, Life Science und Real Estate. Überall, wo es gilt digitaler, dezentraler und innovativer zu werden, ist Inacta ein Partner, dem man vertraut.

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Daniel Rutishauser, MSc ETH in Electrical Engineering & IT MAS ETH in Management, Technology & Economics (MTEC/BWI), Head Financial and Blockchain Services bei inacta AG. Beruflich «digitalisiert» Daniel Rutishauser Unternehmen vorwiegend im Finanzsektor und ist seit über 25 Jahren mit Blockchain-Lösungen unterwegs. Daneben berät er Startups und ist ein bekannter Sprecher und Ausbildner rund um Web3- und Blockchain-Themen.

Als Beeinflusser des Crypto-Valley-Ökosystems und aktives Mitglied der Swiss Blockchain Federation, wo er die Arbeitsgruppe «Digital Assets» leitet, versteht Daniel Rutishauser die Herausforderungen rund um Tokenisierung aber auch die grossen Chancen für den Kapitalmarkt.

Privat lebt Daniel Rutishauser in Zürich als engagierter Vater eines achtjährigen Sohnes. Er spielt leidenschaftlich Golf und als Wein-Geniesser ist er Gründer und CEO von B!Vino, dem grössten Importeur und Vertrieb von bulgarischem Wein in der Schweiz.


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