Namhafte Krankenversicherer kündigen Spitalverträge – CSS bereits auf den Neujahrstag

15. Dezember 2020 | Aktuell
CSS Hauptgebäude Luzern ©CSS

Bedeutende Versicherungen kündig(t)en, von Ihren Kunden noch weitgehend unbemerkt, einen Grossteil ihrer Spitalverträge um deren verrechnete Kosten zu drücken. Offizieller, wenn auch nicht unwillkommener, Anlass ist die von der Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma mit neuem Druck bemängelte ungenügende Transparenz bei Leistungen und Preisen. Die Folgen bei Versicherungsnehmern mit Zusatzdeckungen sind fatal.  

Rechtsunsicherheit und Gefahr von privater Vorkasse bei Arzt und Spital betroffener Versicherten

Es war die «NZZ am Sonntag», die diesen Dezember versuchte eine breitere Öffentlichkeit von der anrollenden Lawine von Kündigungen der Spitalverträge zu warnen. Alleine CSS, der grösste Grundversicherer der Schweiz hat 120 Verträge, d.h. 70 Prozent des Vertragsbestandes mit Spitälern und Spitalgruppen per Ende Dezember dieses Jahres gekündigt.

«Die Kündigungen erfolgten im Rahmen einer mehrjährigen Strategie. Bereits vor drei Jahren haben wir begonnen, mit den Spitälern transparente Verträge zu vereinbaren und alte Verträge zu kündigen. Deshalb stehen wir nicht mit allen Leistungserbringern am gleichen Punkt», sagt Christina Wettstein, Leiterin Media Relations bei der CSS. Nach Recherchen von thebroker besteht zwischen dem Versicherungsriesen und bedeutenden Kliniken bereits in wenigen Tagen ein vertragsloser Zustand.   

Betroffen sind bis zu einer halben Million CSS-Versicherte, die sich die private Zusatzversicherung leisten. Die CSS, aber auch andere grosse Player verhandeln hart. Sowohl mit einzelnen Spitälern und ganzen Spitalgruppen. Laut Christina Wettstein gegenüber thebroker werden diese Verhandlungen den Versicherer über das ganze nächste Jahr beschäftigen. Bei den von der Vertragskündigung der Spitäler betroffenen Patienten ist ab dem 1. Januar 2021 fraglich, ob sie persönlich in Vorkasse gehen müssen, oder ob die Kosten anschliessend von der CSS zurückerstattet werden. Dies hängt von den Versicherungsbedingungen in den einzelnen Produkten ab. Und dem Verlauf der Verhandlungen in den nächsten Wochen und Monaten. Die CSS will ihre Kundinnen und Kunden – laut Aussage von Christina Wettstein – transparent und zeitnah informieren und Hilfestellungen, zum Beispiel Alternativen für Wahleingriffe, bieten. Bei laufenden Krankheitsfällen werden individuelle Lösungen gesucht. 

In aller Deutlichkeit: Im Klartext bedeutet dies, dass sich CSS-Patienten mit Zusatzversicherungen betreffend freier Spitalwahl breit gestreut in einem vertragslosen Zustand befinden. Der Versicherungsnehmer kann dabei allenfalls den Standpunkt vertreten, dass in seinem Vertrag gemäss der derzeit im Netz publizierten Spitalliste mit ausgewählten Leistungsbringern myFlex  (noch) kein Ausschluss des Spitals seines Vertrauens besteht. Im Sinne der Kundenfreundlichkeit solle diese aktuelle Spitalliste dem Patienten jeweils mit dem neuen Vertrag zugeschickt werden und nicht nur digital abrufbar sein. Zudem steht in den AVB zu den Krankenzusatzversicherungen nach VVG:

Als Leistungsbringer gelten diejenigen Personen, Anstalten und Institutionen, die gemäss KVG und von der CSS als solche anerkannt sind und die aufgestellten Voraussetzungen erfüllen.

Artikel 9: Leistungsbringer

Kein Problem: AVB versprechen freie Arzt- und Spitalwahl. Von wegen!   

Dass CSS-Versicherten die freie Spitalwahl zusteht, findet sich in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen AVB des International Health Plans der CSS in «Artikel 14: Allgemeines». Dort steht ausdrücklich: Die versicherte Person hat freie Arzt- und Spitalwahl.

Doch Vorsicht: In den AVB zu den Krankenzusatzversicherungen nach VVG steht unter «Ziffer 41.1» aber auch: Die in den vorliegenden AVB und in den ZB genannten, jeweils gültigen Listen der CSS (beispielsweise CSS-anerkannte Leistungserbringer gemäss Ziffer 9 AVB) können von ihr jederzeit einseitig geändert werden. Der versicherten Person steht bei einer Änderung der Listen kein Kündigungsrecht zu. In dieser Situation befinden sich die CSS-Versicherten mit freier Spitalwahl jetzt. Denn der CSS ermöglicht dies, die Spitalliste jederzeit auf ein paar wenige Kliniken in der Schweiz zu reduzieren. Die Veränderungen der Leistungen des Versicherers im Verlaufe der Vertragszeit, erschwert die Beratung des Brokers ganz besonders.

Kündigung der Verträge bedeutet nicht automatisch keinen Anspruch auf Behandlung bei den betroffenen Spitälern.

Die CSS stellt sich auf den Standpunkt, dass die einzelnen Versicherungsbedingungen massgebend für den jeweiligen Versicherungsschutz seien. «Die Anerkennung der jeweiligen Leistungsbringer kann sich je nach Versicherungsbedingung während der Vertragslaufzeit ändern», so Isabelle Tasset von der CSS. Die Kündigung der Spitalverträge bedeute jedoch nicht automatisch, dass ihre Versicherten keinen Anspruch mehr auf stationäre Behandlungen bei den betroffenen Spitälern haben. Sollte sich für die Versicherten etwas in ihrer Versicherungsdeckung ändern, würde die CSS ihre Kunden umfassend und zeitnah informieren.

thebroker hat den Krankenversicherern Concordia, Helsana, Sanitas, Swica und Visana drei Fragen gestellt. Auf diese haben nur Swica und Concordia geantwortet.

Hat die Swica ebenfalls, wie die CSS, eine Bedingung, die es dem Versicherer erlaubt, während der Vertragszeit bestimmte Spitäler von der Leistungspflicht herauszunehmen? Ja, es gilt jeweils die aktuelle Liste der Vertragsspitäler; diese ist auf der Website abrufbar.

Die CONCORDIA antwortet, dass sie Behandlungen auf der halbprivaten und der privaten Abteilung gemäss ihren Zusatzversicherungsbedingungen und nach Tarifen vergütet, die sie zusammen mit dem Leistungserbringer ausgehandelt haben. Während einer Vertragslaufzeit gilt der Vertrag und dessen Bedingungen, das heisst während der Vertragszeit vergütet die CONCORDIA die im Vertrag ausgehandelten Tarife und Leistungen. Im vertragslosen Zustand mit einem Spital definiert die CONCORDIA zum Schutz ihrer Kundinnen und Kunden vor überhöhter Rechnungsstellung durch den Leistungserbringer sogenannte Maximaltarife für Spitäler auf der kantonalen Spitalliste. Für Spitäler, welche nicht auf der kantonalen Spitalliste aufgeführt sind, besteht in einem vertragslosen Zustand keine Leistungspflicht durch die CONCORDIA.  

Kündigte die Swica ebenfalls ihre Verträge mit den Privatspitälern per Ende Jahr? Wir haben keine ausserordentlichen Kündigungen per Ende Jahr. Es wird aber jedes Jahr ein Teil der Verträge neu verhandelt und aus diesem Grund können auch immer wieder Anpassungen auf der Spitalliste vorkommen.

Die CONCORDIA kündigt von sich aus jeweils Verträge mit Spitälern (öffentliche und private), welche aus verschiedenen Gründen angepasst werden müssen. Dasselbe Recht hat der Leistungserbringer, welcher oftmals mit einer Kündigung höhere Tarife aushandeln möchte. Per Ende Jahr hat die CONCORDIA total zehn Verträge gekündigt, sieben Verträge wurden von Leistungserbringern gekündigt. Unter den gekündigten Verträgen befinden sich sowohl private als auch öffentliche Leistungserbringer.  

Haben Sie eine aktuell gültige Spitalliste? Ja, diese ist online zu finden.

Damit die Kundinnen und Kunden der CONCORDIA Zugang auf die halbprivate/private Abteilung eines stationären Leistungserbringers haben, braucht es eine gegenseitige vertragliche Vereinbarung. Deshalb führen wir über das ganze Jahr hinweg stets Verhandlungen, um diese Zusammenarbeit zu optimieren und wo nötig, auch Verträge anzupassen. Manchmal gelingt dies aber nicht, das heisst die Forderungen der beiden Parteien haben keinen gemeinsamen Nenner gefunden. Leistungserbringer ohne Vertrag finden Sie auf der Liste mit den ausgeschlossenen Spitälern (Liste der Spitäler ohne volle Kostendeckung / Liste der Spitäler ohne Kostendeckung). Wir führen somit als Information für unsere Kundinnen und Kunden eine sogenannte Negativliste. Eine Positivliste wäre auch sehr umfangreich und damit unübersichtlich.

Bleibt die bange Feiertagsfrage, was die die CSS unter «zeitnah» versteht. Sylvester?

Binci Heeb


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