Jan Kundert, bald CCO und Mitglied der Geschäftsleitung bei Helvetia Schweiz über: Sommerferien-Chaos ‘22

4. Juli 2022 | Aktuell Interviews
Jan Kundert übernimmt ab dem 1. August 2022 die Leitung des Kunden- und Marktmanagements und wird Mitglied der Geschäftsleitung von Helvetia Schweiz
Jan Kundert übernimmt per 1. August 2022 die Leitung des Kunden- und Marktmanagements und wird Mitglied der Geschäftsleitung von Helvetia Schweiz.

Seit über 20 Jahren ist Jan Kundert in der Versicherungsbranche tätig, seit 2019 als CEO bei der Europäischen Reiseversicherung ERV. Nun wurde er zum Chief Customer Officer von Helvetia ernannt. thebroker.ch erzählt er, wie man sich in diesen Tagen von Chaos und Unsicherheit an den Flughäfen am besten versichern kann.

Jan Kundert, herzliche Gratulation, Sie übernehmen per 1. August dieses Jahres die Leitung des Kunden- und Marktmanagements und werden Mitglied der Geschäftsleitung von Helvetia Schweiz. Was wird sich für Sie verändern?

Es ändert sich sehr viel für mich. Die Europäische Reiseversicherung ERV ist ein autonomes und überschaubares KMU mit rund 60 Mitarbeitenden im Helvetia-Konstrukt, welches ich geführt habe und Taktgeber war. Ich konnte umsetzungsorientiert arbeiten und festlegen, was die Prioritäten sein sollen. Neu bin ich Teil der Geschäftsleitung eines grossen Unternehmens. Zwar werde ich weiterhin umsetzungsorientiert agieren, allerdings wird neu die Abstimmung mit Stakeholdern einen viel grösseren Teil meiner Tätigkeit ausmachen.

Was genau werden Ihre Aufgaben als Leiter des Kunden- und Marktmanagements sein?

Die Rolle nennt sich Chief Customer Officer, was heisst, dass mein Bereich den Auftrag hat, den Kunden ins Zentrum zu stellen. Darunter fallen zahlreiche Aktivitäten zur Optimierung des Angebots, der Dienstleistung am Kunden und der Marktleistung. So wie beispielsweise Analytics, Marketing, Branding, Kommunikation, Angebots- und Dienstleistungsentwicklung bis hin zu Ökosystem-Management und Partnerschafts-Management.

Wer wird Ihr Nachfolger bei der Europäischen Reiseversicherung ERV?

Meine Nachfolge ist noch nicht final bestimmt. Interimistisch und im Jobsharing werden Petra Eggimann, Leiterin Vertrieb, und Isabelle Meymandi, Leiterin Produkt und Marketing, meine bisherige Rolle übernehmen. Petra Eggimann war bereits meine Stellvertreterin und ist seit 14 Jahren bei der ERV. Isabelle Meymandi kam vor 2.5 Jahren zu uns. Mit ihrem Team überarbeitete sie die Produktelandschaft und baute das Marketing auf. Die Stelle ist öffentlich ausgeschrieben.

Vor gut einem Jahr haben Sie an gleicher Stelle darüber berichtet, wie man sich am besten versichern soll. Damals war Corona das Hauptthema, viele Länder galten als Risikoländer. Was hat sich inzwischen verändert?

Vieles hat sich verändert. Generell hat sich verändert, dass fast hundert Prozent der Weltbevölkerung mit dem Virus in Kontakt gekommen ist. Es wurde mittels Impfungen und Infektionen eine Grundimmunität aufgebaut und die Restriktionen wurden generell gelockert und im Wesentlichen auch angeglichen. Reisen ist heute generell wieder einfacher als vor einem Jahr.

Gibt es noch Fluggesellschaften, welche die Maske vorschreiben?

Maskenpflichten werden von Staaten verordnet. Einige Fluggesellschaften gehen noch weiter als die staatlichen Verordnungen. Am vergangenen Wochenende reiste ich beispielsweise mit Easy Jet nach Berlin, wo ich auf dem Hin- und Rückflug eine FFP2 Maske tragen musste.

Muss der Impfpass überallhin mitgenommen werden?

Diese Frage ist pauschal nicht zu beantworten, da es Länder gibt, die den Impfpass bei der Einreise sehen wollen und Länder, die ihn nicht sehen wollen. Die Bestimmungen sind unterschiedlich. Inzwischen finden aber auch in Ländern, in welchen ein Impfpass notwendig wäre, kaum mehr Überprüfungen statt. Man kann sich gut an der Schweiz orientieren. Es darf sogar mit positivem Befund gereist werden, da es in der Schweiz und den meisten europäischen Ländern keine Quarantäne- und Testpflicht mehr gibt. Bei Easy Jet zum Beispiel verpflichtet man sich auf freiwilliger Basis, dass man einige Tage vor Reisebeginn keine Symptome oder ein positives Resultat hatte. Wichtig ist, dass man sich vor einer Reise genau informiert, wie die Bestimmungen in der Destination sind.

Ist das Thema Affenpocken ein Thema?

Wir sind keine Infektiologen. Aktuell gehen wir seitens ERV davon aus, dass es aufgrund von Affenpocken keine Reiseeinschränkungen geben wird.

Aufgrund von Personalknappheit herrschen an vielen Flughäfen – auch in der Schweiz – lange Wartezeiten. Von den Reisewilligen wird viel Verständnis verlangt. Was passiert, wenn man nach stundenlangem in der Schlange stehen, dennoch den Flug verpasst? Kann man sich dagegen versichern?

Ich habe auf meinen drei Europareisen in der letzten Zeit gute Erfahrungen gemacht und musste nicht lange anstehen. Bisher wurden der ERV noch keine Fälle gemeldet, wonach Kund*innen einen Flug aufgrund von langen Wartezeiten verpasst hätten. Heute muss man am Flughafen ohnehin viel Zeit einrechnen und im schlimmsten Fall wird man am Flughafen auch immer ausgerufen. Wer sich an die Empfehlung der Fluggesellschaften hält, mindestens zwei Stunden vor Abflug am Flughaben einzutreffen, verpasst in der Regel den Flug nicht.

Wie sieht es aus, wenn man aufgrund von Verspätung den nachfolgenden Flug verpasst?

Hier kommt es darauf an. Grundsätzlich sind die Fluggesellschaften leistungspflichtig, beispielsweise wenn ein Flug mehr als drei Stunden Verspätung hat (siehe EU-Verordnung 261/2004) oder nicht stattfindet. Sie müssen auch die Ersatzpflichten der Anschlusskosten erbringen (Hotel, etc.). Grundsätzlich gilt: Je länger die Verspätung, je mehr Entschädigung muss von den Fluggesellschaften bezahlt werden.

Bei einer Pauschalreise geht die Haftung etwas weiter. Zudem profitiert man von einer Ansprechperson bei einem Reisebüro, die einem in der Not unterstützen kann. Bei Individualreisen ist es etwas komplizierter. Diesbezüglich stellen wir fest, dass Reisende wegkommen von Online-Buchungsportalen und ihre Reisen vermehrt wieder über Schweizer Reiseveranstalter buchen.

Im Rahmen der Reiseversicherung übernimmt die ERV neben der finanziellen Deckung auch die logistische Assistance, das heisst die Organisation der Weiterreise.

Was passiert, wenn plötzlich der Flug gestrichen wird?

Die Fluggesellschaft muss die verkaufte Leistung erbringen oder bei Streichung des Flugs den Ticketpreis zurückerstatten, auch im Falle von höherer Gewalt. Bei den Folgekosten – falls solche entstehen – kommt es auf die Ursache an. Meist ist das Einfordern solcher Ansprüche mühselig. Hier liegt ein grosser Mehrwert unserer Versicherungslösungen: Sofern Deckung besteht, übernimmt die ERV die Mehrkosten, indem wir gegenüber Versicherten in Vorleistung gehen und Ansprüche gegenüber den Fluggesellschaften geltend machen.

Reisen werden oftmals mit einer Kreditkarte bezahlt, welche diese auch versichern. Können Sie das empfehlen?

Als Ergänzung kann das zum Beispiel bei Annullationsrisiken sehr gut funktionieren. Man muss sich einfach bewusst sein, dass die in den Kreditkarten integrierten Deckungen in der Regel limitiert sind. Der Begriff Reiseversicherung ist auch nicht geschützt. Das heisst, die Deckungsumfänge sind sehr unterschiedlich. Wir empfehlen deshalb, die Deckung im Vorfeld genau zu prüfen, denn im Zusammenhang mit Reisen gibt es verschiedenste Themen, welche besser über einen Reiseversicherer direkt abgedeckt werden. Dazu gehört beispielsweise die Absicherung von Arzt- und Spitalkosten, welche ein sehr zentrales und tendenziell unterschätztes Thema sind. Denn die Deckung der Krankenkasse ist im Ausland sehr limitiert, und oft – insbesondere in Hochpreisstaaten (zum Beispiel USA) – ungenügend. Hier lohnt es sich auf jeden Fall, eine solche Zusatzversicherung bei einer Reiseversicherung abzuschliessen.

Auch beim Gepäck gibt es vermehrt Probleme. Auch die Angestellten dort sind unterbesetzt. Was passiert, wenn mein Gepäck nicht ankommt?

Unregelmässigkeiten bei der Auslieferung des Gepäcks sind am Flughafen selbst zu melden und zu Protokoll zu bringen (Property irregularity Report). Unsere Versicherungslösungen sehen eine Deckung von 1 000 Franken pro Person für neue Kleidung vor, sofern das Gepäck sechs Stunden oder mehr verzögert ankommt. Fluggesellschaften bieten teilweise auch Entschädigungen an, allerdings meist erst bei Verzögerungen von 24 Stunden und mehr. Zudem beschränken sie diese auf das Essenzielle (zum Beispiel Hygieneartikel). Bei der ERV geht die Entschädigung deutlich weiter.

Die Fragen hat Binci Heeb gestellt.

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