Akquisition – Was kostet ein Neukunde?

11. April 2023 | Aktuell Allgemein Gastbeiträge
Akquisition: Was kostet ein Neukunde in der Krankenversicherung?
Akquisition: Was kostet ein Neukunde in der Krankenversicherung?

Die Branchenvereinbarung der Krankenversicherer macht ein rentables Arbeiten der externen Vermittler schwierig – und reduziert die Verfügbarkeit unabhängiger Beratung. Richtigerweise will das Parlament von der Unterscheidung zwischen internem und externem Vertrieb bei einer Allgemeinverbindlicherklärung absehen. Doch wie viel kostet die Akquisition eines Neukunden eigentlich?

Die seit Anfang 2021 gültige Branchenvereinbarung der Krankenversicherer zu den externen Vermittlern soll unerwünschte Werbeanrufe verhindern und die Beratungsqualität erhöhen. Zudem legt sie eine Obergrenze für Provisionen fest. Früher wurde für die Empfehlung eines neuen Kunden mitunter ein Betrag von mehr als 2000 Franken bezahlt, heute sind es im Durchschnitt nur noch 500 Franken. Dieser Betrag verunmöglicht es den externen Vermittlern, rentabel zu arbeiten. Das Parlament hat am 16. Dezember 2022 das Bundesgesetz über die Regulierung der Versicherungsvermittlungstätigkeit verabschiedet, in dem für eine Allgemeinverbindlicherklärung der Branchenvereinbarung richtigerweise von einer Unterscheidung zwischen internem und externem Vertrieb abgesehen wird. Nun ist der Ball bei den Versicherern, eine praktikable Lösung zu erarbeiten, mit der sowohl die internen als auch die externen Vermittler leben können. Doch was kostet die Akquisition einer neuen Kundin oder eines neuen Kunden eigentlich? Welche Arbeitsschritte und welchen Aufwand müssen externe Vermittler bis zum Abschluss einer Versicherung erledigen?

Seriöse Neukundengewinnung ist aufwendig

Die Akquisition von neuen Kunden ist mit viel Aufwand verbunden. Sie beginnt mit der Gesprächsvorbereitung, der Bedarfsanalyse und der Erstellung von Offerten. Dann erfolgt im Erfolgsfall der Abschluss der Police und die Nachbearbeitung. Dazu gehören die administrative Verarbeitung der Versicherungsanträge, die Bearbeitung von Kundenrückfragen des Versicherers, die Erklärung von Leistungsausschlüssen, die Kündigungen der bestehenden Deckungen und viele weitere Aufgaben. Aber damit ist es nicht getan, die Kundin oder der Kunde müssen über den ganzen Lebenszyklus der abgeschlossenen Versicherung betreut werden.

Die Neukundengewinnung ist auch teuer. Die Kaltakquise ist verpönt und meist vertraglich untersagt, und die Kunden haben keine Lust auf Anrufe. Wegen der grossen Konkurrenz sind Leads – also Kontakte, die über das Internet ein gewisses Interesse an einem Angebot gezeigt haben – teuer, die Konversionsraten sind niedrig. Die Kosten für Customer-Relationship-Management-Systeme (CRM) und die Gehälter sind ebenfalls gestiegen.

Die Krankenversicherer legen richtigerweise immer mehr Wert auf Kundenbindung und daher haben Up-Selling-Kampagnen (Verkauf einer höherwertigen Versicherungsdeckung) und Cross-Selling-Kampagnen (Verkauf weiterer Versicherungsprodukte) stark an Wichtigkeit zugenommen. Die Kosten der Versicherungsvermittlung in die Höhe treiben auch die immer höheren Erwartungen der Kunden und die strenger werdenden Qualitätsvorschriften der Versicherer. Zudem werden Kunden bei Problemen oft gleich wieder aus dem Vertrag entlassen, sodass der Vermittler gratis gearbeitet hat.

Gedeckelte Provisionen

Die heute im Durchschnitt bezahlten 500 Franken decken die Leistungen der externen Vermittler nicht – und auch die Krankenversicherer selbst können mit diesem Betrag keinen rentablen Aussendienst betreiben. Die Kosten für die Akquisition eines Neukunden dürften bei ungefähr 1500 Franken liegen.

Gemäss Branchenvereinbarung dürfen dem externen Vermittler bei Abschluss einer Grundversicherung nur noch maximal 70 Franken bezahlt werden, bei einer Zusatzversicherung darf die Provision maximal eine Netto-Jahresprämie betragen. Zwölf Monatsprämien sind für die Vermittlungstätigkeit des externen Vermittlers nicht ausreichend; die Vergütung müsste 18 Monatsprämien entsprechen, also dem Anderthalbfachen der in der Branchenvereinbarung vorgesehenen Obergrenze. Unter diese Entschädigungs-Obergrenze sollen alle Ausgaben für die Versicherungsvermittlung fallen, also auch die Leadkosten. Nicht darunter fallen sollen jedoch die Kosten für die Bestandesbetreuung, da in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden darf, dass der Versicherungsbestand jahrelang weiter betreut werden muss.

Die Vergangenheit hat klar gezeigt, dass die externen Vermittler günstiger arbeiten als der eigene Aussendienst der Krankenversicherer. Nicht zuletzt deshalb haben die Versicherer in der Vergangenheit auch mehrheitlich auf externe Vermittler gesetzt. Es müssen die gleichen Massstäbe für externe und interne Vermittler gelten, sodass sich die externen Vermittler weiterhin durch eine günstigere Geschäftstätigkeit profilieren können. Mit der einseitigen Branchenvereinbarung wurde jedoch genau dieser Wettbewerb gezielt verhindert.

Die Kunden sind die Verlierer

Mindert die Digitalisierung diesen Missstand, indem sie den Vertriebsprozess kostengünstiger macht? Ja und Nein. Digitale Plattformen und Angebote können den externen Maklern die Arbeit erleichtern, aber der Zugang und die Nutzung solcher Systeme sind auch mit Investitionskosten verbunden. Zudem wünschen viele Kundinnen und Kunden immer noch eine persönliche Beratung zu spezifischen Themen und Fragen.

Wegen der zu geringen Entschädigung der externen Vermittler erfolgte eine Verlagerung zum vermeintlich günstigeren Eigenvertrieb – aber dort wälzen die Versicherer die Kosten über Lohn- und Infrastrukturkosten auf die Grundversicherung ab. Zudem unterliegt der Eigenvertrieb aktuell noch nicht den gleich hohen Qualitätsvorschriften wie der externe Vertrieb. Verlierer sind in der jetzigen Situation nicht nur die externen Vermittler, sondern auch die Kunden, die Anrecht auf eine unabhängige Beratung haben.

Stephan Wirz, Mitglied der Geschäftsleitung der Maklerzentrum Schweiz AG

Lesen Sie auch: Beratung – Wie viel Wissen muss ein Vermittler seinen Kunden weitergeben? Alles.


Tags: #Kundenakquisition #Neukundengewinnung #Provisionen #Versicherungsvermittlungstätigkeit