1e-Lösung: Was sind die Vorteile?

7. August 2023 | Aktuell Allgemein Interviews
1e-Lösung gehören zum Überobligatorium der beruflichen Vorsorge in der 2. Säule. Bild: Fabian Loosli,Geschäftsführer und Partner von finalution.
1e-Lösung gehören zum Überobligatorium der beruflichen Vorsorge in der 2. Säule. Bild: Fabian Loosli, Geschäftsführer und Partner von finalution.

Mit einem 1e-Plan können Arbeitnehmende selbst bestimmen, wie ihre Sparguthaben angelegt werden. Die 1e-Pläne gehören zum Überobligatorium der beruflichen Vorsorge in der 2. Säule. Es gibt die Möglichkeit aus zehn verschiedenen Anlegestrategien zu wählen. Das Vorsorgekapital wird im Freizügigkeitsfall oder bei Pensionierung als Einmalzahlung ausbezahlt.

thebroker spricht mit Fabian Loosli, dem Geschäftsführer und Partner von finalution in Hasle-Rüegsau (Kanton Bern), einem Experten für Vorsorgelösungen.

Herr Loosli, erklären Sie bitte das Überobligatorium.

Das Überobligatorium bezieht sich auf den Teil der beruflichen Vorsorge, der über das gesetzlich vorgeschriebene Minimum (BVG) hinausgeht. Das BVG legt gewisse Mindeststandards fest, die von den Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden gemeinsam finanziert werden müssen, um eine angemessene Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge zu gewährleisten. Dieser Mindestvorsorgeanteil wird als «obligatorische Vorsorge» bezeichnet. So sind zum Beispiel gemäss BVG Lohnbestandteile über 88’200 Franken (Stand 2023) nicht versichert. Das führt dazu, dass beispielsweise Kaderangestellte mit höheren Löhnen nicht ausreichend versichert sind.

Das Überobligatorium geht über diese gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststandards hinaus. Arbeitnehmende und Arbeitgebende können zum Beispiel freiwillig zusätzliche Beiträge in die Pensionskasse einzahlen, um eine höhere Rente im Ruhestand zu erhalten oder zusätzliche Leistungen, wie beispielsweise eine höhere Invalidenrente oder die Möglichkeit einer Frühpensionierung, zu ermöglichen.

Das Überobligatorium bietet den Versicherten eine gewisse Flexibilität und die Möglichkeit, ihre individuelle Vorsorge auf ihre Bedürfnisse und Lebenssituation zuzuschneiden. Eine Möglichkeit ist die sogenannte 1e-Lösung.

Für wen lohnt sich eine 1e-Lösung?

Grundsätzlich für alle Firmen, welche ihren Mitarbeitenden – die über 132’300 Franken pro Jahr verdienen – eine attraktive und flexible Zusatzvorsorge anbieten möchten. Je höher der Lohnbestandteil über dieser Schwelle liegt, desto mehr wird pro Jahr in die 1e-Lösung investiert und umso attraktiver wird dieses Modell. Deshalb empfehle ich diese Lösung meistens ab Jahreslöhnen von 150’000 Franken, weil darunter sonst der versicherte Verdienst fast zu klein ausfällt.

Die 1e-Lösung bietet sich an, um mehr Eigenverantwortung im Bereich der beruflichen Vorsorge wahrzunehmen.

Selbstverständlich muss die Person auch gewillt sein ihr Vorsorgeguthaben etwas renditeorientierter anzulegen als bei der herkömmlichen Pensionskasse und, idealerweise in einen etwas höheren Aktienanteil investieren – ansonsten ist es aus meiner Sicht nicht die richtige Lösung.

Zudem sollten die Personen bestenfalls noch über einen gewissen Anlagehorizont verfügen, damit das Potential der 1e-Lösung ausgeschöpft werden kann.

Welche Aufwände sind mit der 1e-Lösung verbunden?

Der Aufwand für die Implementierung hält sich in Grenzen. Wichtig ist, dass die Ausgangslage geklärt wird. Je nachdem muss die bestehende Basisvorsorge angepasst werden, so dass diese mit der neuen 1e-Lösung koordiniert ist. Oder es besteht bereits eine separate Kadervorsorge, welche durch die 1e-Lösung abgelöst werden soll.

Dafür gibt es aber Spezialisten, die bestehende Vorsorgelösungen der Firma prüfen und die nötigen Abklärungen und Anpassungen in die Wege leiten, damit die verschiedenen Vorsorgelösungen aufeinander abgestimmt sind.

Die einzelnen Versicherten müssen sich natürlich Gedanken über ihre Anlagestrategie machen. Hierbei empfehle ich jeweils das Gespräch mit einem entsprechenden Anlagespezialisten zu führen, der die Situation des Einzelnen umfassend berücksichtigt. Zum Beispiel, welche anderen Investments/Anlagen bereits auf privater Basis bestehen.

Welches sind die zehn möglichen Anlagestrategien?

Je nach Anbieter fallen die natürlich unterschiedlich aus. Das Gesetz lässt maximal zehn Anlagestrategien zu, wovon mindesten eine risikoarm sein muss (zum Beispiel Obligationen). So kann jeder Versicherte die Anlagestrategie wählen, die auf seinen persönlichen Anlagehorizont und seine Risikofähigkeit abgestimmt ist.

Jüngere Versicherte können zum Beispiel eine Strategie mit einem hohen Aktienanteil (zum Beispiel 80 Prozent) wählen, da sie Wertschwankungen dank eines längeren Anlagehorizonts besser verkraften können als Personen, welche kurz vor der Pensionierung stehen. Im letzteren Fall sollte eher eine konservative Strategie gewählt werden.

Müssen kollektive Wertschwankungsreserven gebildet werden?

Nein. Und genau das ist einer der Vorteile der 1e-Lösung. Die einbezahlten Sparbeiträge werden deinem persönlichen Vorsorgedepot gutgeschrieben und entsprechend der gewählten Strategie investiert. Die Nettorendite wird ausschliesslich deinem Depot zugeteilt, es müssen keine kollektiven Wertschwankungsreserven gebildet werden. Bei einer herkömmlichen Pensionskasse muss zwangsläufig ein Teil der Erträge für Rückstellungen und Wertschwankungsreserven verwendet werden.

Wie viel kann maximal eingezahlt werden?

Die jährlichen Sparbeiträge in der 1e-Lösung dürfen bis zu 25 Prozent des versicherten Jahreslohnes betragen.

Was sind die grössten Vorteile der 1e-Lösung?

Für die Versicherten:

  • Individuelle Wahl der Anlagestrategie je Versicherter
  • Ertrag wird vollumfänglich dem persönlichen Depot gutgeschrieben
  • Keine Umverteilung
  • Diversifikation
  • Tiefere Kosten
  • Flexibilität
  • Steueroptimierung

Für die Unternehmen:

  • Steigerung der Arbeitgeberattraktivität
  • Kein Sanierungsrisiko/Keine Nachschusspflicht
  • Tiefere Risikoprämien
  • Entlastung der Bilanz bei Firmen, die ihre Buchhaltung nach internationaler Rechnungslegungsvorschriften (IAS19 / US GAAP) führen.
Gibt es auch Nachteile?

Aus meiner Sicht könnten folgende Punkte als Nachteil betrachtet werden:

  1. Der Versicherte trägt alleine das Anlagerisiko.
  2. In der Regel wird das angesparte Vorsorgeguthaben immer als Kapital ausbezahlt und nicht als Rente.
  3. Für die Berechnung des Einkaufspotentials darf keine Verzinsung berücksichtigt werden. Das führt dazu, dass die Einkaufslücke tiefer ausfällt als bei einer herkömmlichen Zusatzvorsorge.
  4. Wechsel des Arbeitgebers: Was passiert zum Beispiel, wenn zum Austrittszeitpunkt die Kapitalmärkte gerade im Minus sind? Dann muss der Versicherte unter Umständen die Verluste auf seinem Portfolio zwangsläufig realisieren, wenn sein neuer Arbeitgeber nicht auch eine 1e-Lösung anbietet (idealerweise noch mit denselben Anlagestrategien).
Existieren Steuerprivilegien?

Ja klar, wie auch in der herkömmlichen Vorsorgelösung: Versicherte sparen schon deshalb Steuern, wenn sie in eine 1e-Lösung einzahlen. Die Beiträge können vom steuerbaren Einkommen abgesetzt werden. Zudem müssen auf dem Vorsorgeguthaben keine Vermögenssteuern bezahlt werden und auch die Erträge (Zinsen/Dividenden) müssen nicht als Einkommen versteuert werden. Entsprechend ist es lukrativ, dividendenstarke Aktien im Vorsorgedepot zu halten.

Zusätzlich können noch freiwillige Einkäufe geleistet werden, vorausgesetzt es besteht noch ein Einkaufspotential.

Sind die Risikoprämien tiefer als bei der herkömmlichen BVG-Lösung?

Ja, die Risikoprämie sind nicht selten 20 – 30 Prozent tiefer als bei der herkömmlichen Basisvorsorge. Die Risiko-, beziehungsweise die Versichertenstruktur, fällt besser aus, da gemäss Statistik die Personen, welche für eine 1e-Lösung in Fragen kommen, offenbar weniger häufig invalid werden.

Wie flexibel ist man bei der Anlagestrategie?

Die Flexibilität ist sicher gegeben. Je nach Anbieter kann ein Strategiewechsel einmal im Jahr oder sogar jederzeit erfolgen. Natürlich braucht es dann noch ein paar Werktage Zeit, bis die entsprechende Wertschriftentransaktion abgeschlossen ist.

Erwähnenswert ist an dieser Stelle vielleicht noch: Es empfiehlt sich grundsätzlich auch in unsicheren Phasen seiner gewählten Anlagestrategie treu zu bleiben. Panik ist definitiv ein schlechter Ratgeber, wenn es um Anlageentscheide geht.

Was passiert mit der bestehenden Pensionskasse, wenn man eine 1e-Lösung abschliessen möchte?

Die Basisvorsorge bleibt natürlich bestehen. Allenfalls müssen Anpassungen beispielsweise beim versicherten Lohn erfolgen. Das heisst in der Basisvorsorge wird nur noch bis 132’300 Franken versichert und in der separaten 1e-Lösung die übersteigenden Lohnbestandteile.

Was geschieht, wenn sich die Anlagestrategie schlecht entwickelt?

Dann verliert das Vorsorgevermögen natürlich an Wert. Deshalb sollte man sich die Wahl der richtigen Anlagestrategie gut überlegen und sich beraten lassen. Der Wertverlust an sich ist noch kein Problem, solange man die Verluste nicht realisieren muss. Deshalb ist auch der Anlagehorizont von grosser Bedeutung bei der Wahl der Anlagestrategie.

Existiert eine Sperrfrist für Vorbezüge und Kapitalauszahlungen?

Ja, wie bei der herkömmlichen Pensionskasse gilt auch hier nach einem freiwilligen Einkauf eine dreijährige Sperrfrist gemäss Art. 79b Abs. 3 BVG.

Ich stelle immer wieder fest, dass Versicherte davon ausgehen, dass nur der eingekaufte Betrag von der Sperrfrist betroffen ist. Dem ist jedoch nicht so, sondern es ist das gesamte Vorsorgekapital der 2. Säule für drei Jahre gesperrt. Und zwar unabhängig davon, bei welcher Vorsorgeeinrichtung der Einkauf getätigt wurde, beziehungsweise bei welcher Vorsorgeeinrichtung der Vor-, beziehungsweise Kapitalbezug getätigt werden möchte – es erfolgt also eine konsolidierte Gesamtbetrachtung.

Fabian Loosli:

Seit 1 Jahr und 7 Monaten Geschäftsführer und Partner bei finalution.

9 Jahre bei Intermakler AG, davon über 5 Jahre Leiter Vorsorge und Mitglied der Geschäftsleitung.

3.5 Jahre Vorsorgeberater für Schweizer KMU bei Swiss Life AG.

4 Jahre Senior Sachbearbeiter und danach Kundenberater bei Vaudoise Versicherung.

3 Jahre Lehre bei Vaudoise Versicherung.

Lesen Sie auch: VorsorgeDIALOG mit Forschungsergebnissen in der Vorsorge


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