Wie soll die ambulante Grundversorgung in Zukunft aussehen?

27. September 2021 | Aktuell
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In der medizinischen Versorgung spielt die ambulante Grundversorgung eine sehr wichtige Rolle. Diese wird sich in Zukunft unter anderem aufgrund der Alterung der Gesellschaft, des steigenden Anteils älterer Menschen, aber auch durch die medizinisch-technischen Fortschritte sowie des zu erwarteten Mangels an Gesundheitsfachpersonen stark verändern müssen.

Die aktuelle Studie «Zukünftige ambulante Grundversorgung: Einstellungen und Präferenzen der Bevölkerung» im Rahmen des universitären Forschungsprojekts «Health 2040» der Universität Luzern und von Interface Politikstudien untersucht die mögliche Ausgestaltung zukünftiger Modelle der ambulanten Grundversorgung ein. Dabei geht es unter anderem darum, welche Zugänge zur Grundversorgung bevorzugt werden, beispielsweise über Hausärzte, Apotheker*innen, Pflegefachpersonen oder eine App sowie um unterschiedlicher Arten zur Sicherstellung der Koordination zwischen den Gesundheitsfachpersonen.

Erkenntnisse der wissenschaftlichen Studie

Aus der Studie geht hervor, dass die Schweizer Bevölkerung der Behandlungs-Kontinuität die grösste Bedeutung zumisst. Wichtig ist ihr dabei, sowohl bei Routineuntersuchungen als auch bei akuten Gesundheitsproblemen, dass die behandelnde Fachperson die gesundheitliche Vorgeschichte ihrer Patienten kennt und Einblick in das Patientendossier hat. Besonderes Gewicht legt die Bevölkerung laut Studie auf die Mitentscheidung über zukünftige Behandlungen. Die Befragten sehen überwiegend eine Hausärztin oder einen Hausarzt als hauptverantwortliche Ansprechperson.

Die Lösung: Neue vernetzte Versicherungsmodelle?

Die Frage stellt sich, wie neue vernetzte Versicherungsmodelle in Zukunft aussehen werden. Frankreich zum Beispiel kennt interdisziplinäre medizinische Versorgungszentren, Maisons de santé pluridisciplinaires genannt. In den USA nennt man sie Patient Centered Medical Homes, in Deutschland Privatversorgungspraxen und in Finnland multiprofessionelle Gesundheitszentren. Auch in der Schweiz gibt es bereits etliche Gesundheitszentren, Gesundheitsregionen oder Arztnetzwerke.

Praxengemeinschaft Warteckhof in Basel

Eines dieser Modelle ist die 1996 gegründete  Praxengemeinschaft Warteckhof in Basel mit sieben Ärzten aus unterschiedlichen Disziplinen. Alle Hausärzte verfügen über spezielle Fachkenntnisse, beispielsweise bei bei Pneumologie, Kardiologie, Infektiologie und Psychosomatischer und Psychosozialer MedizinHIV/AIDS-Erkrankungen, Immunologie, Ultraschalldiagnostik, autogenem Training und Applied Relaxation, Reisemedizin, Impfungen sowie für Tauchtauglichkeits-Untersuchungen für Sporttaucher.

Die Gründe für eine Praxengemeinschaft liegen laut PD Dr. Stefan Erb, FMH Innere Medizin und Infektiologie in der Praxengemeinschaft Warteckhof im Nutzen von Synergien, beim Teilen von Infrastruktur und Praxiskosten sowie beim sozialen Wissensaustausch. Der Wissensaustausch und die stets vorhandenen Vertretungen resultieren in besserer Qualität und Dienstleistungen in der Patient*innen-Betreuung sowie im kostengünstigeren Arbeiten. «Ich sehe Praxisgemeinschaften als die primäre Anlaufstelle für die Patient*innen sowie zur Triagierung und zur Weiterleitung der Patient*innen an Spezialist*innen», sagt Stefan Erb.

Das Patientendossier, welches Patient*innen und Gesundheitseinrichtungen ermöglicht, Dokumente und Daten digital abzulegen, erachtet Stefan Erb als wünschenswert. Zu den Gründen zählt er die Verhinderung von Doppelspurigkeiten, den schnelleren Datenaustausch und die Verbesserung der Qualität der medizinischen Behandlung. Gleichzeitig nennt er die nötige Datensicherheit. Schliesslich werde man künftig den Mangel an Gesundheitsfachpersonen mit attraktiveren Arbeitsbedingungen begegnen müssen, zum Beispiel mit der Möglichkeit für Teilzeitarbeit und einer besseren Entlöhnung.

Junge Menschen, andere Präferenzen

Die Studie zeigt, dass es jüngeren Personen weniger wichtig ist, den medizinischen Erstkontakt bei Hausärzt*innen zu haben. Sie sind offener gegenüber Alternativen wie Apps, Erstberatung durch eine Pflegefachperson mit Hochschulabschluss oder durch eine*n Apotheker*innen. Im Gegensatz zur restlichen Bevölkerung  bevorzugen junge Menschen überwiegend längere Öffnungszeiten und digitale Angebote. Da die junge Bevölkerung besonders preissensibel ist, sollten Zukunftsmodelle der ambulanten Grundversorgung nicht teurer sein als die heutige Versorgung.

Die Zukunft wird zeigen, ob hausärztliche Praxengemeinschaften als primäre Anlaufstelle die ideale ambulante Grundversorgung sein werden. Mit ihrem persönlichen Ansatz, dem Zugang zu Patientendossiers und dem Mitspracherecht der Patient*innen sprechen zahlreiche Gründe klar dafür.

Binci Heeb


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