Wer haftet für Folgeschäden bei Covid-19-Impfungen?

17. Mai 2021 | Aktuell
Bundeshaus Bern während COVID-19

In den sozialen Medien, allen voran auf Telegram, werden Gerüchte verbreitet, wonach Versicherungen bei Covid-19-Impfschäden Leistungen verweigern. Da der Instant-Messaging-Dienst auch von politischen Verfechtern umstrittener Ideen sowie Verschwörungstheoretikern genutzt wird, muss solchen Behauptungen, gerade aus derartigen Quellen, mit grösster Vorsicht begegnet werden.

Bei der Covid-19-Impfung kommen die bereits gesetzlich geregelten, Haftungsregeln wie bei anderen Arzneimitteln und Impfstoffen zum Tragen. Bei Impfschäden gilt zunächst eine Haftung des Herstellers durch die Produktehaftpflicht, dann die der impfenden Stelle, in Form von Auftragshaftung und schliesslich die Staatshaftung sowie subsidiär eine Haftung des Bundes. Eine Entschädigung für Impfschäden durch den Bund erfolgt jedoch ausschliesslich bei Impfungen, die behördlich empfohlen oder angeordnet wurden.

Figures and Facts

Bis zum 12. Mai 2021 wurden in der Schweiz 3 511 492 Impfdosen gegen Covidviren verabreicht. Die Zahl der vollständig geimpften Personen lag Anfang Monat bei 1 184 138  Personen (Quelle: BAG). Nach wie vor sind in der Schweiz erst zwei Vakzine zugelassen. Dabei handelt es sich um die Produkte von Pfizer/BioNTech und Moderna. Zwei weitere befinden sich im Zulassungsverfahren. Die von AstraZeneca und Curevac.

Swissmedic, die Zulassungs- und Kontrollbehörde für Heilmittel in der Schweiz, hat bis zum 20. April 1’485 Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen durch Covid-19-Impfungen ausgewertet. 36,2 Prozent davon (537 Personen) wurden als schwerwiegend eingestuft. Dies entspricht einer ungefähren Rate einer Meldung pro 1 000 verabreichter Dosen. Fast siebzig Prozent davon betrafen Frauen.

Wann gewährt der Bund eine Entschädigung?

Eine geschädigte Person hat immer nur dann Anspruch auf Entschädigung, wenn das Problem nicht bereits durch andere Institutionen gedeckt ist. Gemeint sind, wie erwähnt, der Impfstoffhersteller selber (Produktehaftung), das Impfzentrum, ein betroffenes Spital (Arzthaftung) oder die Sozial- und Privatversicherung. Wird der Schaden nicht durch Dritte gedeckt, gewährt der Bund eine Entschädigung.

Wer solche Ansprüche an den Bund erheben will, hat beim Eidgenössischen Departement des Innern EDI einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dazu braucht es das vollständig ausgefüllte Gesuchsformular (siehe: «Gesuchsformular bei Entschädigung von Impfschäden»), welches nur bis zum vollendeten 21. Lebensjahr oder innert fünf Jahren nach der Impfung eingereicht werden kann. Neben dem Formular ist auch eine ärztliche Bescheinigung Impfschaden, welche Schaden und Impfstoff dokumentiert, beizufügen.

Epidemiegesetz EpG regelt finanzielle Ansprüche

Das überarbeitete und bereits 2016, vor der jetzigen Pandemie, in Kraft getretene neue Epidemiengesetz EpG regelt unter anderem wie finanzielle Ansprüche geltend gemacht werden können. Leistungen des Staates für den immateriellen Schaden sind seither in Form einer Genugtuung explizit ins Gesetzt geschrieben. Es bringt bei selten auftretenden, unerwünschten schweren Nebenwirkungen von Impfungen wesentliche Verbesserungen im Bereich der finanziellen Entschädigung.

Zusätzlich zum Schadenersatz kann der Patient eine Genugtuung (Schmerzensgeld) in der Höhe von maximal 70 000 Franken erhalten. Als Impfschaden im Sinne des EpG gelten generell alle Folgeschäden, die mit der Impfung in adäquatem Zusammenhang stehen. Geringfügige  Reaktionen, wie Rötungen, Schwellungen, Verhärtungen an der Einstichstelle, vorübergehende Kopf- oder Muskelschmerzen und leichtes Fieber gehören nicht dazu.

Bandbreite Bemessung der Genugtuung bei Schäden aus Impffolgen

GradBeeinträchtigung des GeschädigtenGenugtuung in CHF
1Reversible mässig schwere Beeinträchtigung
Beispiele: Arbeitsunfähigkeit >50%, Hospitalisierung 1 – 6 Monate, psychische Konsequenzen / Leiden.
0 – 20’000
2Reversible mittlere Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit und/oder der intellektuellen und/oder sozialen Fähigkeiten20’000 –
40’000
3Irreversible starke Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit und/oder der intellektuellen und sozialen Fähigkeiten
Beispiele: Paraplegie, vollständige Erblindung, Verlust des Gehörs.
40’000 – 55’000
4Irreversible sehr starke Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit und/oder der intellektuellen und sozialen Fähigkeiten oder Tod des Geschädigten
Beispiel: Tetraplegie
55’000 – 70’000
©EDI

Obwohl ein Entschädigungs- und Genugtuungsanspruch im Zusammenhang mit «Schäden aus Impffolgen» gesetzlich besteht, wird in der Verordnung nicht präzise festgehalten, was unter dieser Definition genau zu verstehen ist. Sie umschreibt: «Langandauernde Schäden mit gesundheitlichen Folgen für die geimpfte Person» und «Tritt als Folge einer Impfung zum Beispiel eine vorübergehende oder bleibende Arbeitsunfähigkeit auf, so ist dies ein schwerer Folgeschaden».

In dem vom Bund an die Professoren Hardy Landolt und Ueli Kieser in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten (siehe: «Rechtsgutachten Entschädigung und Genugtuung bei Schäden aus Impffolgen») heisst es, dass der Impffolgeschaden «sämtliche geldwerten Nachteile, die als Folge einer unerwünschten Beeinträchtigung der Gesundheit im Zusammenhang mit der Anwendung oder Wirkung eines Impfserums, das behördlich angeordnet oder empfohlen worden ist» umfasst.

Abschliessend bleibt festzuhalten, dass Nebenwirkungen nach Covid-19-Impfungen – vor allem schwerere – im Vergleich mit der grossen Anzahl bereits verabreichten Dosen nur äusserst selten auftraten. Das Risiko hingegen ohne Impfschutz lebensbedrohlich zu erkranken ist um ein Vielfaches höher.

Binci Heeb


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