Was in die Schweiz zuziehende Deutsche über die hiesigen Krankenkassen wissen müssen

26. März 2021 | Aktuell
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Wenn deutsche Staatsbürger in die Schweiz ziehen, müssen sie vor allem eines wissen: Nach der Einreise in die Schweiz muss man sich innerhalb von drei Monaten bei einer Schweizer Krankenkasse anmelden. Wie in Deutschland sind sie auch in der Schweiz obligatorisch, aber die Unterschiede sind gross. Bereits vor der Übersiedlung sei deshalb dringend unabhängiger fachlicher Rat empfohlen.

Betroffen sind alle deutschen Anwärter*innen oder Inhaber*innen einer Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B), aber auch einer Niederlassungsbewilligung (Ausweis C). Achtung: Wer sich erst gegen Ende der drei Monate anmeldet, hat trotzdem die zwölf zurückliegenden Wochen seit der Übersiedlung zu bezahlen, da die Krankenkasse ab dem Einreisetag Gültigkeit hat. Die Leistung der obligatorischen Grundversicherung ist bei allen Krankenkassen per Gesetz identisch (Verzeichnis der zugelassenen Krankenversicherer)

Die Prämien sind im Gegensatz zu Deutschland völlig unabhängig vom Einkommen einer Person, variieren aber je nach Alter, Wohnort und Kassen. Dabei existiert auch ein Unterschied bei den Fristen der Kostenübernahme durch Versicherer, denn einige wenige bezahlen erst am Ende des Jahres die aufgelaufenen Arzt- und Spitalkosten. Die Patientin oder der Patient muss in diesem Fall in Vorkasse gehen, was bei der Wahl der Kasse unbedingt abzuklären ist. Während in Deutschland der oder die Arbeitgeber*in die Hälfte der Grundkosten übernimmt, zahlen Schweizer*innen den ganzen Betrag aus der eigenen Tasche. Einzig die komplette Unfallversicherung UVG übernimmt die jeweilige Firma für ihre Mitarbeitende während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses. Diese Versicherung deckt jeden Unfall, auch solche in der Freizeit, falls der oder die Arbeitnehmer*in mehr als acht Wochenstunden arbeitet.

Unterschiedliche Leistungen in Deutschland und der Schweiz

Insbesondere bei der Pflegeversicherung im Alter und der Zahnversicherung sind die Unterschiede gross. In der Schweiz werden Pflege- und Betreuungskosten seit der Neuordnung der Pflegefinanzierung 2011 zu unterschiedlichen Anteilen von Krankenkassen, Sozialversicherungen, Ergänzungsleistungen und Privathaushalten finanziert. Mit der Reform wurden zwei Hauptziele verfolgt: Einerseits sollte die Krankenversicherung von den zunehmenden Mehrkosten durch altersbedingte Pflegebedürftigkeit entlastet werden. Andererseits sollten die Leistungen der verschiedenen an der Pflegefinanzierung beteiligten Sozialversicherungen aufeinander abgestimmt und die pflegebedingte Sozialhilfeabhängigkeit vermieden werden. In Deutschland existiert seit mittlerweile 26 Jahren eine Pflegeversicherung. Die obligatorische Pflegeversicherung erfolgt in der Regel durch die der jeweiligen Krankenkasse angeschlossene Pflegekasse. Entsprechend der Trennung in gesetzliche und private Krankenversicherung gibt es nebst der sozialen auch eine private Pflegeversicherung. 

Die Schweiz kennt keine Regelversorgung wie sie in Deutschland existiert. Die Grundversicherung übernimmt in der Schweiz Zahnarztkosten, beziehungsweise Zahnbehandlungen nur bei Unfall, bei schwerer, nicht vermeidbarer Krankheit des Kausystems und bei schwerer Allgemeinerkrankung, zum Beispiel Leukämie. Mit dem Abschluss einer Zahnversicherung beteiligt sich diese an krankheits- und unfallbedingten Zahnbehandlungen, die nicht von einer anderen Versicherung gedeckt werden, zum Beispiel an Prophylaxe und Dentalhygiene, konservierender Zahnbehandlung, Zahnextraktion, Zahnersätze wie Krone, Stiftzähne, Brücken und Prothesen, Korrekturen von Zahnfehlstellungen und Röntgendiagnostik. Die Zahnzusatzversicherung lohnt sich vor allem für Kinder, da sich die Krankenkassen nur dann an den Kosten einer Zahnstellungskorrektur beteiligen, wenn diese nach Versicherungsabschluss diagnostiziert wird.

In Deutschland übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung GKV Basis-Leistungen, sogenannte Regelversorgungen. Sie zahlt für Behandlungen beim Zahnarzt meistens nur die Hälfte oder weniger, den sogenannten Festkostenzuschuss. Eine Zusatzversicherung erweitert die Leistung der gesetzlichen Krankenkasse und bieten unter anderem die Kostenübernahme bei professioneller Zahnreinigung, Schmerztherapien, hochwertiger Zahnersatz, angenehmere Behandlungsmethoden und Kieferorthopädie. Mit einer privaten Zusatzversicherung kann der Eigenteil der Zahnarztrechnung auf ein Minimum reduziert oder sogar komplett übernommen werden. Je nach Zahntarif werden bis zu hundert Prozent der Kosten zurückerstattet.

Von der Versicherungspflicht ausgenommen

Für eine Befreiung der Versicherungspflicht gibt es nur wenige Ausnahmen. Im Rahmen des Personenfreizügigkeitsabkommens hat die Schweiz mit den angrenzenden Ländern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich bilaterale Vereinbarungen getroffen. Danach müssen sogenannte Grenzgänger*innen in der Schweiz keine Krankenversicherung abschliessen, wenn sie in einem dieser Staaten leben, aber in der Schweiz arbeiten. Dasselbe gilt für inzwischen wieder ins Heimatland zurückgezogene Personen, welche eine schweizerische Rente beziehen. 

Unterschied zwischen Franchise und Selbstbehalt

Bei der Tarifierung der Krankenkassen wird zwischen Franchise und Selbstbehalt unterschieden, wobei jeder Kanton einen eigenen Tarif hat. Franchisen haben einen grossen Einfluss auf die Prämien und können zwischen 300 und 2’500 Franken betragen, die Höhe wird selbst gewählt. Je höher die Franchise ist, desto tiefer die Prämie. Dabei zahlt der Versicherer erst, wenn die jährlich gewählte Franchise des Patienten oder der Patientin erreicht ist. Ab diesem Moment kommt der Selbstbehalt zum Tragen, der gesetzlich verankert zehn Prozent der Kosten, jedoch maximal 700 Franken jährlich beträgt. Die maximal zu zahlenden Gesundheitskosten betragen 3’500 Franken bei höchster Franchise und 700 Franken Selbstbehalt. 

Wie erwähnt sind, anders als in Deutschland, diese Kosten einkommensunabhängig. Die Grundversicherung wird jährlich angepasst, deshalb muss sie im November gekündigt werden, wenn sie gewechselt werden soll. Bei schwangeren Frauen entfallen bei allen Arztrechnungen im Zusammenhang mit der Schwangerschaft Franchise sowie Selbstbehalt. 

Halbprivat- und Privatversicherung

Nebst der obligatorischen Grundversicherung gibt es eine Vielzahl von Zusatzpolicen, so unter anderem auch die Möglichkeit, sich halbprivat oder privat versichern zu lassen. Was in jungen Jahren noch nicht sehr teuer ist, kostet mit zunehmenden Alter jedoch immer mehr. Grundsätzlich ist es möglich Rechnungen, die Grund- und Zusatzversicherung betreffen an zwei verschiedene Adressen schicken zu müssen. Dabei stellt sich jedes Mal die Frage über die Zuständigkeit. Ein gründlicher jährlicher Kassen-Vergleich hilft also, Geld zu sparen. Verglichen werden können die Kassen zum Beispiel beim Krankenkassen Prämienvergleich des Bundesamtes für Gesundheit BAG.

Für Deutsche lohnt es sich also tatsächlich, bereits bevor sie in die Schweiz umziehen einen unabhängigen Broker kostenlos nach den Lösungen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis zu beauftragen. Wer sich selbst im Internet informieren möchte, sieht sich mit hunderten von verschiedenen Angeboten konfrontiert, wobei leider längst nicht alle halten, was sie versprechen. Gleiches gilt für die Vergleichsportale: Denn auch hier gibt es schwarze Schafe, bunt sind nur ihre Homepages.

Binci Heeb


Tags: #Franchise #Obligatorische Grundversicherung #Personenfreizügigkeitsabkommen #Pflegefinanzierung #Selbstbehalt #Unfallversicherung UVG