Versicherungsbroker: ein spannender Beruf

25. Oktober 2021 | Aktuell Interviews
Thomas Bärtschi führt Bärtschi Versicherungen GmbH in Kaufdorf zusammen mit seiner Frau Karin.

Im Lehrgang «Versicherungsfachmann/Versicherungsfachfrau mit eidg. Fachausweis wird auch das Thema Broking behandelt. Zwei Ausbildungs-Jahrgänge wurden inzwischen erfolgreich durchgeführt. Co-Hauptexperte des Berufsbildungsverbands der Versicherungswirtschaft VBV Thomas Bärtschi stellt den Beruf des Brokers im Interview mit thebroker vor.

Herr Bärtschi: Weshalb steht das Berufsbild des Brokers an einigen Orten in Verruf?

Steht dieses Bild wirklich in Verruf? Ich habe eine Gegenfrage: Wieso gibt es trotz Journalist*innen BR so viele Fake News?

Man soll nun aber eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantworten. Daher nun zu einer möglichen Antwort: Meines Erachtens. gibt es zwei Problemfelder. Das eine ist die menschliche Gier, das andere ist die Entschädigungsfrage. Wenn einer viele Abschlüsse tätigt, dann kriegt er eine Menge Abschlussprovisionen, das Krankenkassenvermittler-System lässt grüssen. Dieses System der Stückzahlen-Vergütung kann dazu führen, dass der Abschluss oder Vertrieb im Vordergrund steht – nicht aber die Wünsche und die Bedürfnisse der Kund*innen. Leider verpasst es die Versicherungsbranche samt Krankenkassen seit vielen Dekaden, andere Vergütungsmodelle einzuführen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn die Verbesserung der Schadenquote provisioniert würde? Oder wenn die Reduktion des Verhältnisses Brutto zu Netto hoch gewichtet und auch mitentschädigt würde? Ich erinnere mich an meine Zeit als sehr junger Berufsmann. Schon damals hatte ich solche Gedanken. Darum habe ich es vermutlich auch nie geschafft, als waschechter Aussendienstler tätig zu sein. Heute denke ich, dass ich nicht gut verkaufen kann, weil ich eben niemals im Aussendienst tätig war (schmunzelt).

Was genau sind eigentlich die Aufgaben eines Brokers, einer Brokerin?

Die Berufsstandards für SIBA-Broker geben den umfassendsten und korrektesten Eindruck wieder. Diese betreffen Risikoanalyse, Risiko- und Versicherungspolitik, Umsetzung der Risiko- und Versicherungspolitik, laufende Betreuung sowie Schadenbegleitung.

Was unterscheidet den Broker vom Versicherer?

Der Versicherer ist ein klassischer Risikoträger. Ihm kann eine Gefahr, ein Risiko übertragen werden. Es können beispielsweise Feuer- und Elementarschäden am Gebäuden dem Versicherer zediert respektive übertragen werden. Ganz im Sinne eines Eventualversprechens: «Wenn es brennt – dann zahle ich». Der Kundschaft ist dieses Versprechen ein Entgelt wert. Dieses Entgelt nennen wir Prämie.

Der Broker hingegen zeichnet keine Risiken selbst. Seine Kernkompetenz liegt darin, die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kund*innen zu erkennen – welche Risiken selbst getragen werden sollen und welche zediert werden sollen. Sobald klar ist, was zediert werden soll, sucht der Broker auf dem Markt die dafür günstigste Lösung. Das kann auch einmal eine Bankgarantie sein – in der Regel handelt es sich dabei aber um eine Police. Diese prüft der Broker auf alle wichtigen und verlangten Parameter und auf den adäquaten Preis.

Kann man also sagen, dass Broker*innen über ein breiteres fachliches Wissen im versicherungstechnischen Bereich verfügen als Versicherer?

Ich würde diese Frage grundsätzlich bejahen, möchte aber niemandem zu nahe treten. Das Fachwissen des Brokers geht sehr oft weit über das versicherungstechnische hinaus. Der Broker kennt zum Beispiel auch wichtige rechtliche Aspekte aus den Bereichen Arbeits-, Auftrags- oder Mietrecht. Er kann seiner Kundschaft auch bei einer Liquiditätsplanung mit seiner Expertise zur Seite stehen. Es versteht sich von selbst, dass die oder der Broker*in alle versicherungstechnischen Fragestellungen bestens beherrschen muss. Zudem muss er oder sie die Produkte der Versicherer sehr gut kennen, um die beste Lösung für seine Kundschaft zu finden.

Welche Dienstleistungen erbringen Versicherungsbroker*innen für ihre Kund*innen?

a. Beobachtung von Veränderungen des Risikos (in der Person des Kunden, der Mitarbeiter, der Versicherungsbedürfnisse, Neuanschaffungen, Wertsteigerungen, Akquisitionen, Verkauf von Unternehmensteilen etc.) und Beratung über die notwendige Anpassung des Versicherungsschutzes
b. Vergleich der bestehenden Deckung mit neuen Angeboten im Markt (andere Deckungskonzepte, neue Versicherer, Prämienveränderungen etc.)
c. Beratung (ev. extern) über Sicherheits- und Schadenverhütungsmassnahmen
d. Erstellen von Entscheidungsgrundlagen für die Fortsetzung oder Änderung von Verträgen
e. Überwachung von Fristen
g. Periodische Berichterstattung über das aktuelle Risikofinanzierungskonzept unter Einbezug der Schadenstatistik
h. Erstellen von Policenübersichten und Versicherungshandbüchern
i. Prüfung der Prämien- und Überschussabrechnungen
k. Evaluation der geeigneten Organisationsform
l. Verhandlungen von Sonderkonditionen
m. Koordination mit anderen Sozialversicherern
n. Erarbeitung spezifischer Lösungen für mobile Mitarbeiter
o. Informationen für Mitarbeitende eines Unternehmens, insbesondere in der Vorsorge (Mitarbeiterpräsentationen)
p. Beobachtung der Solvabilität/Solvenz, Bonität und Kennzahlen der Versicherer
q) die alleinige Ansprechstelle zum Kunden sein. «Wenn es sich irgendwie nach Versicherung anfühlt oder es danach riecht, ist der Broker für seinen Kunden da»

Weshalb gibt es für die Prozessmodule Underwriting, inkl. Produktmanagement, Schaden- und Leistungsfallbearbeitung, Dienstleistungsmanagement und Vertrieb und Support mehr Teilnehmende als für das Modul Broking?

Das vierte Prozessmodul «Broking» ist immer noch brandneu. Erst zwei Mal haben die Abschlussprüfungen hierin stattgefunden. Mir liegen die Zahlen des ersten Umgangs vor: Insgesamt traten 215 Kandidat*innen zur Prüfung an, und zwar 110 im Vertrieb/Support, 57 im Schaden, 32 im Underwriting und 16 im Broking. Zudem fand der Vorbereitungskurs zweimal nur am Standort Zürich statt. Mir sind einige Kandidat*innen aus aus den Ausbildungsstandorten Bern oder Luzern bekannt, die lieber ein Modul vor Ort besuchten. Künftig sollen aber die Kurse – je nach Anzahl der Teilnehmenden – auch an anderen Orten stattfinden, zum Beispiel auch in der Romandie.

Wie machen Sie «Broking» Interessierten schmackhaft?

Für mich als kleinster, im KMU-Segment tätiger SIBA Broker behandelt und umfasst das Broking Modul die wichtigsten Tätigkeitsbereiche eines Brokers/einer Brokerin. Darunter das Erarbeiten von Deckungskonzepten, die Submission und die Auswertung. Kandidat*innen, die im Broking arbeiten, haben also täglich mit den geprüften Fragestellungen Kontakt. So entsteht ein extrem hoher Praxisbezug, welcher Teil der Prüfung ist. Es wird also nichts etwas abgefragt oder doziert, was in der Praxis keine Relevanz hätte. Die Kandidat*innen lernen also fürs Leben und nicht nur zum Erlangen des Diploms.

Sind gleich viele Frauen wie Männer interessiert am Broking?

In den letzten zwei Jahren hatten wir 27 Kandidat*innen – davon waren dreizehn weiblich und vierzehn männlich. Eine grossartige Quote.

Wie sieht es in den Führungsetagen aus?

In unserer Firma sind genau gleich viele Frauen wie Männer. Kessler hat in der Geschäftsleitung bloss Männer, Verlingue hat sechs Personen, darunter eine Frau, Assepro hat in der Gruppen GL vier Männer und keine Frau. Die Daten sind aktuell vom 20. Oktober 2021.

Welchen Titel trägt man nach erfolgreich bestandener eidgenössischer Fachprüfung?

Versicherungsfachmann/Versicherungsfachfrau mit eidgenössischem Fachausweis,
Spécialiste en assurance avec brevet fédéral und Perito/Perita in assicurazione con attestato professionale federale. Beim Prozessmodul «Broking» werden Kompetenzen und Handlungsfelder geprüft, die im Reglement näher umschrieben sind wie in der Wegleitung näher umschrieben ist.

Wenn Sie hier einen Werbespot für den Beruf des Brokers, der Brokerin machen könnten, was würden Sie sagen?


Was gibt es Schöneres, als wenn Kund*innen zu Freunden werden? Wenn man ihnen Gutes tut und ihnen das Berufsleben vereinfacht und Sorgen abnehmen kann. Neulich durfte ich für einen Kunden eine Prämienreduktion um 50 Prozent aushandeln. Der Kunde schaute mir mit dankbarem Blick ins Gesicht und wir schüttelten – trotz Corona – kräftig Hände. Es ist das Erschaffen dieser positiven Emotionen, die mich täglich motiviert, meine Höchstleistung zu erbringen. Zudem stelle ich fest, dass es nicht viele Menschen gibt, die den Schritt vom Versicherer zum Broker wieder zurück machen. Offenbar ist unser Beruf etwas ganz Besonderes. Das ist er in der Tat.

Thomas Bärtschi gründete 2013 Bärtschi Versicherungen GmbH in Kaufdorf zusammen mit seiner Frau. Ihm obliegt die Kundenbetreuung. Er besitzt ein eidg. Diplom als Versicherungsfach-Experte, ist Versicherungsbetriebswirt DVA sowie Brandschutzexperte CFPA. Als Ausbildner lehrt er auf Stufe höhere Fachschule, Berufsprüfung und für die Vermittler. Er ist Cicero Member der ersten Stunde.



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