Verlingue: Einer der grössten Versicherungsbroker der Schweiz

13. November 2023 | Aktuell Allgemein Interviews
Verlingue-CEO Marco Buholzer im Gespräch mit thebroker.
Verlingue-CEO Marco Buholzer im Gespräch mit thebroker.

Seit die Schweizer Versicherungsbroker Advantis, MEEX und S&P Mitte 2021 fusioniert haben, gehört die französische Verlingue zu einem der grössten Versicherungsbroker der Schweiz. Mitte dieses Jahres verstärkte der Broker seine Position in Europa durch eine Expansion in Italien mit dem Erwerb der Mehrheitsbeteiligung beim Versicherungsbroker INSER.

thebroker spricht mit Marco Buholzer, CEO und Verwaltungsrat von Verlingue Schweiz mit 115 Mitarbeitenden und 890 Millionen verwaltetes Prämienvolumen sowie 2000 betreute Unternehmen.

Herr Buholzer, Verlingue ist ein familiengeführtes Unternehmen. Inwiefern spürt man das?

Unser Fokus liegt auf einer langfristigen und nachhaltigen Unternehmensstrategie, die von unseren Werten wie Einfachheit, Empathie und Initiative geprägt wird. Um schnelle und effiziente Entscheidungen zu ermöglichen, haben wir kurze, unkomplizierte Wege eingerichtet. Zusätzlich legen wir grossen Wert auf den Aufbau und die Pflege persönlicher Kontakte zu unserer Kundschaft, um eine enge Beziehung und Nähe zu ihnen zu gewährleisten.

Auf welchem Kundensegment liegt Ihr Fokus?

Die Hauptausrichtung von Verlingue liegt auf der Risikoabdeckung für Unternehmen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Industriekunden. Wir sind in der Lage, Unternehmen in allen Wirtschaftssektoren zu betreuen.

Sie sind spezialisiert auf Risikoabdeckung von Unternehmen. Bitte konkretisieren Sie dies.

Unternehmen stehen von Natur aus vor komplexeren Bedarfssituationen im Vergleich zu Privatpersonen. Daher legen wir besonderen Wert auf den Dialog und das Denken in Szenarien, um die spezifischen Bedürfnisse unserer Kundinnen und Kunden zu verstehen. Unsere kommunikativen Botschaften «wir sind dabei» oder «heute schützen, was morgen zählt» spiegeln unser Engagement wider, sie bei der Sicherung ihrer Zukunft zu unterstützen.

Wir pflegen einen engen Austausch mit unserer Kundschaft, um ihre Anforderungen genau zu erfassen. Darüber hinaus erweitern wir unser Dienstleistungsportfolio über das klassische Brokerage hinaus, um den sich verändernden Bedürfnissen gerecht zu werden.

Speziell erwähnen möchte ich an dieser Stelle eine unserer neuen Dienstleistung im Risikomanagement, die wir Verlingue Risikodialog nennen. Was diese Dienstleistung einzigartig macht, ist die innovative Kombination aus Risikomanagement und Business-Impact-Analyse, die weit über herkömmliche Ansätze hinausgeht. Der Mehrwert des Ansatzes liegt in der IT-unterstützten Darstellung und Verwaltung der ganzheitlichen Risikolandkarte eines Unternehmens. Ändern sich beispielsweise Wertschöpfungsströme, können dank der automatisierten und systematischen Verwaltung die Risiken entsprechend neu bewertet werden.

Verlingue berät in den Regionen Bern, Luzern und Zürich. Ist ein weiterer Ausbau, z.B. in der Nordwestschweiz oder der Westschweiz, geplant?

Verlingue strebt sowohl organisches als auch anorganisches Wachstum an. Eine Erweiterung in andere Regionen kann für uns sinnvoll sein. Insbesondere konzentrieren wir uns auf die Westschweiz, da wir uns dort bestimmte Synergien mit unserer Muttergesellschaft erhoffen. Wichtiger als die geografische Lage ist uns jedoch, dass wir mit Menschen zusammenarbeiten, die unsere Unternehmenswerte als «Verlingue Familie» teilen. Wir suchen nach Partnern, die sich mit unseren Werten identifizieren.

Kürzlich war zu lesen, dass ein anderer Versicherungsbroker Top Kader von Verlingue übernimmt. Inwiefern stimmt diese Aussage?

Es ist bekannt, dass einige unserer Mitarbeitenden die Entscheidung getroffen haben, zu einem anderen Broker zu wechseln. Dies ist Teil des freien Marktes. Es ist unvermeidlich, dass in einer Merger-Phase gewisse Instabilitäten auftreten. Auch kulturelle Unterschiede sind vorhanden. Für einige Personen passt es, für andere jedoch nicht. Wir waren innert Kürze jedoch in der Lage, die Vakanzen lückenlos mit neuen Talenten zu besetzen. Dafür bin ich sehr dankbar und betrachte dies in der gegenwärtigen Situation des Arbeitsmarktes als nicht selbstverständlich. Es zeigt, dass Verlingue einen guten Ruf als Arbeitgeber geniesst.

Zur Frage möchte ich folgendes präzisieren: Die Aussage, dass ein Mitbewerber von uns Top-Kader übernommen hat, ist nicht korrekt. Die zwei Personen, welche bei uns in der Geschäftsleitung waren, hatten bereits vor ihrer Anstellung das Unternehmen verlassen und waren somit auf dem freien Markt. Somit kann nicht von einer Übernahme gesprochen werden.

Per Oktober konnten Sie mit Roger Auderset einen Spitzenmann als neuen CFO verpflichten. Er ersetzt Sandro Wyss. Was können Sie zu diesem Wechsel sagen?

Sandro, der erst 42 Jahre alt ist, hat nach erfolgreich abgeschlossenen Projekten in unserer Gruppe den Wunsch geäussert, einen Karrieresprung zu machen. Ich kann seine Entscheidung absolut verstehen und nachvollziehen. Er hat sich dazu entschieden, die Assekuranz zu verlassen und ein eigenständiges und spannendes Projekt zu starten. Für unser Unternehmen ist es bedauerlich, aber ich wünsche Sandro auf jeden Fall viel Spass und Erfolg bei seinem Vorhaben.

Gleichzeitig freuen wir uns, dass wir Roger Auderset als erfahrenen CFO für unser Unternehmen gewinnen konnten. Mit seiner Erfahrung bei der Clientis Bankengruppe und Swisscom erhoffen wir uns nebst seiner Rolle als CFO wertvolle Inputs in Bereichen wie IT, Datenschutz, FINMA und allgemeine Compliance, die immer wichtiger werden.

Das Unternehmen hat 24 Standorte in Frankreich und weitere in Grossbritannien, Portugal, Italien und in der Schweiz. Wo in der Schweiz?

In der Schweiz haben wir sechs Büros, die uns ermöglichen, das Mittelland, die Zentralschweiz und den Markt Zürich abzudecken. Es ist ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie, unseren Kunden nahe zu sein – sowohl persönlich als auch geografisch. Deswegen wurde während des Mergers nie darüber diskutiert, einzelne Standorte zu schliessen. Wir sind fest davon überzeugt, dass die Nähe zu unseren Kunden für unseren Erfolg mitentscheidend ist.

Wie sieht es mit weiteren Übernahmen in Europa aus?

Bei Verlingue kommt demnächst die vierte Generation ans Ruder. Unser erklärtes Ziel ist es, eine unabhängige, familiengeführte europäische Brokergruppe zu sein. Derzeit sind wir in fünf Ländern aktiv – Frankreich, England, Portugal, Italien und die Schweiz. Unsere Reise soll noch weitergehen. Es ist allerdings wichtig zu betonen, dass sowohl für die Schweiz als auch für unsere Gruppenstrategie gilt, dass wir nicht um jeden Preis expandieren möchten. Wir legen grossen Wert darauf, dass die Menschen in unserem Unternehmen gut zusammenpassen. Dies bedeutet, dass wir bei der Auswahl neuer Standorte und Mitarbeitenden sorgfältig vorgehen und sicherstellen, dass sie zu unserer Unternehmenskultur und unseren Werten passen. Qualität und ein harmonisches Team sind für uns von grosser Bedeutung, um unseren langfristigen Erfolg sicherzustellen.

Verlingue gehört zur 90-jährigen Adelaïde Gruppe (Holding-Gesellschaft). Wie und wann waren deren Anfänge in der Assekuranz?

Im Jahr 1917 gründete Jules Verlingue, der Grossvater von Jacques Verlingue, das Familienunternehmen, indem er eine Fayencefabrik (Keramik-Kunsthandwerk) in Quimper, Frankreich, übernahm. 1933 erkannte Jules Verlingue das Potenzial im Versicherungssektor und setzte darauf, um das Wachstum und die Nachhaltigkeit des Unternehmens zu sichern.

1946 übernahm sein Sohn, Jean-Yves Verlingue, die Leitung des Unternehmens und konzentrierte sich komplett auf die Entwicklung des Versicherungsgeschäfts. Mit einem innovativen Ansatz und einer langfristig ausgerichteten Vision verhalf er dem Unternehmen zu einer führenden Position auf dem Markt.

Das Ziel von Verlingue ist es, einer der grössten unabhängigen Broker in Europa zu werden. Ist das Unternehmen noch weit davon entfernt?

Obwohl wir noch einen Weg vor uns haben, nähern wir uns unserem Ziel. Insbesondere mit der jüngsten Akquisition der Gruppe INSER in Italien sind wir um 120 Mitarbeitende gewachsen. Dies zeigt, dass unsere Strategie zur Expansion und Stärkung unserer Präsenz erfolgreich voranschreitet. Wir freuen uns über diese Fortschritte und sind zuversichtlich, dass wir unser Ziel als unabhängige, familiengeführte europäische Brokergruppe erreichen werden.

Der Hauptsitz von Verlingue befindet sich im 63’000 Einwohner zählenden bretonischen Quimper. Sind Sie oft dort?

Es ist einer der Werte von Verlingue, dass die Ländergesellschaften autonom, unabhängig und unternehmerisch agieren. Aus diesem Grund haben wir uns vor einigen Jahren dafür entschieden, Teil dieser Firma bzw. Familie zu werden. Obwohl ich die Bretagne mittlerweile sehr schätze, bin ich aufgrund dieser Entscheidung nicht sehr oft in Quimper. Im Schnitt besuche ich die Stadt etwa einmal pro Jahr, was ich fast ein wenig bedauere.

Seit dem 1. September 2023 gelten wichtige Anpassungen an das neue Datenschutzgesetz. Wie sieht es nun mit dem Versicherungsschutz und dem Risk Management aus?

Es ist wichtig zu beachten, dass Risiken im Bereich Datenschutz nicht vollständig durch Versicherungslösungen abgedeckt werden können. Zum Beispiel können Geldbussen nicht versichert werden und auch Kosten im Zusammenhang mit gewissen Verfahren oder Datenschutzoptimierungen sind nicht versichert. Dennoch kann mit Haftpflicht-, Cyber-, Organhaftpflicht- und Rechtsschutzversicherungen ein solider Grundschutz geschaffen werden. Insbesondere im Bereich Organhaftpflicht merken wir eine Sensibilisierung des Managements und eine erhöhte Nachfrage.  

Dennoch ist die Implementierung der Datenschutzanforderungen unumgänglich, um die Risiken eines Vorfalles zu minimieren. Hier empfehlen wir die Zusammenarbeit mit externen Partnern wie Anwalts- und IT-Firmen.

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