Notfallstationen in der Schweiz: Tatsächlich voll?

27. Dezember 2021 | Aktuell
Notfallstationen überfüllt?
Alberto Giuliani: Die Ärztin Annalisa Silvestri nach einem 12-Stunden-Tag während der Covid-19-Pandemie 2020 in Italien. So oder ähnlich fühlen sich auch die Pflegenden in der Schweiz.

Die Notfallstationen in der Schweiz sind, Stand 14. Dezember 2021, zu 81 Prozent belegt. Davon sind rund 35 Prozent oder 303 Personen schwer an Covid-19 erkrankt. Der geschätzte Anteil der verschiedenen Virusvarianten im 7-Tage-Schnitt beträgt für das Delta-Virus gute 97 und für das Omikron-Virus fast 3 Prozent.

Während die Notfallstationen der Spitäler in den Kantonen Wallis, Freiburg, Thurgau und Genf bereits ausgelastet sind, kommen sie jetzt in den Kantonen Waadt, Graubünden, Zürich, Aargau, Solothurn, Tessin, Appenzell Ausserrhoden, Schaffhausen und Basel-Stadt ebenfalls an ihre Belastungsgrenze. Etwas besser sieht es in St. Gallen, Basel-Landschaft und Luzern aus, wo die Belegung zwischen 40 – 60 Prozent und im Kanton Uri nur zwischen 20 – 40 Prozent beträgt. Zu den restlichen Kantonen Nidwalden, Obwalden und Appenzell Innerrhoden fehlen die Angaben.

Schweizweit sind 303 Intensivbetten mit Covid-Patient*innen belegt. Gleichzeitig steht immer weniger Pflegepersonal zur Verfügung. Das führt zu grossen Problemen bei nicht Corona bedingten Schwerkranken. Einem der Redaktion bekannten Mann aus der Nordwestschweiz, der während der Arbeit plötzlich an Herzproblemen litt, empfahl sein Kardiologe eine dringende Herz-Operation. Aufgrund der hohen Belegung konnte er aber keinen Operationstermin bekommen. Der Patient verstarb innert weniger Tage aufgrund des Fehlens eines lebensrettenden Eingriffs.

Probleme auf den Notfallstationen am Universitätskinderspital beider Basel UKBB

Wie das Regionaljournal berichtete kommt es am UKBB immer wieder zu Engpässen beim Personal. Die Gründe sind Krankheit, Quarantäne oder Corona-Fällen in der Familie. Weil sehr viel mehr Kinder aufgrund von Atemwegserkrankungen oder schweren Magendarminfekten auf die Notfallstation kämen, seien die Betten voll. Wegen der knappen Personalsituation – nicht wegen Covid-19 – muss das UKBB bereits geplante Operationen verschieben. Das Spital zahlt den Pflegefachkräften 1,3 Prozent mehr Lohn und hofft damit benötigtes Personal zu gewinnen und langfristig zu binden.

Ärzte raten generell zur Vorsicht

Aufgrund der angespannten Lage mahnen Ärzte zur Vorsicht im Alltag. Die Weihnachtsferien stehen vor der Tür und viele Familien verbringen ihren Urlaub oder auch nur einzelne Tage in den Bergen im Schnee. Beim Skifahren und Rodeln ereignen sich schnell Unfälle. Familien, die lieber zu Hause bleiben, wählen vermehrt das Velo oder Mountainbike. Solche Fälle stehen zwar in keinem Zusammenhang mit dem Virus, doch die ungeliebten Triagen sind längst keine Seltenheit mehr. Damit gemeint sind unter anderem die freie Spitalwahl und die Wartezeiten bei Operationen.


Neben der ohnehin gegebenen schweren und unerwartet andauernden Ausnahmesituation, nimmt die Anzahl von Pflegepersonen, die sich nicht genug Wert geschätzt fühlen und zu wenig Unterstützung erhalten, deutlich ab. Sie brennen aus, werden selbst krank oder wechseln sogar den Beruf. Die Probleme sind mit 1,5 Prozent mehr Lohn deshalb auch nicht gelöst. Die wichtigen Aufgaben, die das Pflegepersonal erfüllt, muss wieder erfüllender und auch finanziell interessanter werden. Politisch dringender Handlungsbedarf besteht. Jetzt.

Binci Heeb

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