Krankenversicherungen in den USA: eine never ending story

25. März 2022 | Aktuell Allgemein
Krankenversicherung verlieren zusammen mit dem Job: «You’re fired!» pflegte der ehemalige US-Präsident Trump in seiner Sendung «The Apprentice» zu sagen.
Krankenversicherung verlieren zusammen mit dem Job: «You’re fired!» pflegte der ehemalige US-Präsident Trump in seiner Sendung «The Apprentice» zu sagen.

Spätestens seit Barack Obama seine Obamacare einführte, wissen auch in der Schweiz die meisten Bescheid darüber, dass es mit den Krankenversicherungen in den Vereinigten Staaten anders läuft als bei uns. Die Zeiten vor und nach Obamacare wirken wie zwei verschiedene Welten.

Mit Obamacare ist der Patient Protection and Affordable Care Act PPACA also das Bundesgesetz in den Vereinigten Staaten gemeint, welcher Patientenschutz und erschwingliche Pflege bedeutet. Beschlossen wurde dies im zweiten Jahr der ersten Amtszeit von Barack Obama vom US-Kongress. Der PPACA regelt unter anderem den Zugang zur Krankenversicherung und gilt als wesentlicher Teil des aktuellen US-Gesundheitssystems. Das Gesetz wurde am 28. Juni 2012 nahezu vollständig vom Supreme Court bestätigt.

Auf wenig Gegenliebe stiess dieses Bundesgesetz bei der Republikanischen Partei, die über Jahre versuchte das Gesetzt aufzuheben und zu ersetzten. Während der vierjährigen Amtszeit von Präsident Donald Trump scheiterten jedoch alle Initiativen zur Abschaffung oder Reform derf Obamacare an der Uneinigkeit der Parteiflügel.

Die Zeit vor Obamacare

2008 waren 45,7 Millionen oder 15,4 Prozent der rund 300 Millionen Einwohner*innen der Vereinigten Staaten weder privat krankenversichert, noch dazu berechtigt, staatliche Hilfe zu beanspruchen. Spitäler haben deshalb die Möglichkeit, Patient*innen, deren Gesundheitsprobleme nicht die Stufe eines medizinischen Notfalls erreichen, abzuweisen. Krankenhäuser waren also gesetzlich nur dazu verpflichtet, gar nicht oder nur unzureichend versicherte Patient*innen allein bei medizinischen Notfällen aufzunehmen und zu behandeln.

Die Zeit nach Obamacare heute

Mit der Einführung des PPACA erhielt das Land zahlreiche staatliche Krankenversicherer, auch solche für Arbeitslose. Viele US-Amerikaner*innen regen sich über diese Neuerung auf, denn die Krankenkassenbeiträge haben sich dadurch erhöht. Deshalb besitzen auch heute noch viele US-Bürger*innen keine Krankenversicherung. Anders als bei uns übernehmen einige Arbeitgebende in den Vereinigten Staaten zwischen fünfzig und hundert Prozent der Kosten für die Versicherung. Dies gehört zu den Benefits (Leistungen) eines Arbeitgebers.

Falls ein*e US-Bürger*in ins Krankenhaus muss, ist sie oder er gut beraten ein solches zu wählen, welches von seinem Versicherer anerkannt ist. Ungleich des Systems in der Schweiz betreiben US-amerikanische Krankenversicherungen eigene Spitäler und stellen deren Ärzt*innen an. Falls ein*e Versicherte*r bei einem Notfall in ein anderes Krankenhaus gebracht wird, zahlt die Versicherungen keinen Rappen. Keine Regel ohne Ausnahme: Es gibt auch Krankenversicherungen, die alles decken, die Prämien sind dementsprechend viel höher.

Drei Modelle: Manageged-care, HMO und PPO

Die Einwohner*innen der Vereinigten Staaten gaben 2008 pro Kopf 7 536 US Dollar aus. Das ist deutlich mehr als in der Schweiz, wo sich die Kosten auf umgerechnet 4 620 US Dollar beliefen. Damit rangierten wir Schweizer*innen im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern an der Spitze rangieren. Damit ist das das US-Gesundheitssystem weltweit mit Abstand das teuerste. Die Managed-care-Modelle versuchen Angebot, Nachfrage und Finanzierung so miteinander zu verknüpfen, damit es nicht zu einer Kostenexplosion kommt. Dabei wird darauf geachtet, dass Verträge mit den Erbringern von Gesundheitsleistungen geschlossen werden, die bei hinreichender Qualität am billigsten sind. Es werden Anreize zur Sparsamkeit geschaffen, indem Patient*innen häufig bei Behandlungen Zuzahlungen leisten müssen, damit sie diese leichtfertig in Anspruch nehmen. Zudem erhalten Ärzt*innen weniger Bonuszahlungen, wenn sie möglichst wenig Patient*innen zu Spezialärzt*innen oder in Krankenhäuser überweisen.

Die so genannten Health Maintenance Organizations HMOs sind vertraglich dazu verpflichtet, ihre freiwilligen Mitglieder mit ambulanten, stationären und zum Teil auch zahnärztlichen Leistungen zu versorgen. Die Behandlungen durch Leistungsbringer werden übernommen, sofern diese zum Netzwerk der Vertragspartner gehören. Die HMOs haben ein Jahresbudget, nach dem sich die Beiträge für die Versicherungsnehmer richten. Der Vorteil ist, dass die Kosten aufgrund von Synergieeffekten geringer ausfallen. Der Nachteil hingegen st, dass ein Versicherte nur bei Ärzt*innen und Kliniken behandelt werden, die dem jeweiligen Netzwerk angehören.

Seit den 1990er Jahren nahm der Marktanteil von Preferred Provider Organizations PPOs deutlich zu. 2002 hatten PPOs bereits einen Marktanteil von 52 Prozent. Bei diesem Modell werden nur Kosten erstattet, die nicht  bei Vertragsärzt*innen und Vertragskliniken entstanden sind. Bei der Behandlung durch Vertragsärzt*innen oder Vertragskliniken tragen Versicherte jedoch einen geringeren Anteil.

Herkömmliche Krankenversicherungen kennen demgegenüber keine Beschränkung bei der Arztwahl. Bei diesen Krankenversicherungen ist die Kostenübernahme weniger stark reglementiert, allerdings sind die Versicherungsbeiträge höher als b ei HMOs und PPOs. Klassische Krankenversicherungen haben nur einen Marktanteil von drei Prozent.

Einiges hat sich seit der Einführung von Obamacare zum Guten verändert in den Vereinigten Staaten. Doch noch sind die Kosten viel zu hoch, ähnlich wie in der Schweiz. Bei einem «You’re fired» ist grosse Vorsicht geboten, denn noch immer sind dort viel zu wenige Menschen adäquat versichert.

Binci Heeb

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Tags: #Krankenversicherung #Obamacare #USA