Aon Schweiz: Vlora Limani ist eine Brokerin in Führungsposition

31. Januar 2022 | Aktuell Interviews
Aon Schweiz: Vlora Limani ist eine Brokerin in Führungsposition
Aon Schweiz: Vlora Limani ist Head of Liability Broking.

Aon Schweiz AG ist ein führendes Dienstleistungsunternehmen mit einer breiten Palette an Lösungen zu den Themen Versicherungs- und Rückversicherungs-Brokerage sowie berufliche Vorsorge und Investment. Über 300 Mitarbeitende arbeiten an verschiedenen Standorten in der Schweiz. Im November 2021 gab Aon Schweiz die Ernennung von Pierre Brunel zum neuen CEO Schweiz bekannt.

thebroker spricht mit Vlora Limani, Head of Liability Broking, über ihre Führungsposition in der Abteilung Haftpflicht und über den Haftpflichtversicherungsmarkt.

Frau Limani, vor über einem Jahr haben Sie die Leitung der Abteilung Haftpflicht bei Aon Schweiz übernommen. Wie war Ihr erstes Jahr in dieser Führungsposition?

Es war ein sehr spannendes, aber auch herausforderndes Jahr. Ich führe ein engagiertes Team von fünf, bald sechs, Brokern, was mir Spass macht.
Viele Jahre war ich auf der der Versicherer Seite tätig. In meinem ersten Jahr als Broker war mir daher auch wichtig zu verstehen, wie wir bei Aon zusammen agieren, um die bestmögliche Lösung für unsere Kundschaft zu finden. Wir haben innerhalb von Aon zahlreiche Möglichkeiten und verfügen über ein globales Netzwerk, wie zum Beispiel durch unsere Kolleg*innen aus dem Risk Consulting & Captive-Management oder aus der Rückversicherungsabteilung. Ausserhalb der Schweiz stehen uns weltweit Expert*innen zur Verfügung, welche uns einfach und unkompliziert dabei unterstützen, Zugang zum anspruchsvollen internationalen Erst- und Rückversicherungsmarkt zu erhalten. Für mich haben sich einige neue Perspektiven aufgetan und ich konnte auch viele neue Kontakte knüpfen. Das Jahr ist schnell verflogen und ich ziehe eine positive Bilanz, sowohl in Bezug auf die fachliche Entwicklung als auch auf die vielen interessanten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Den Schritt in eine Leitungsposition habe ich bis heute nicht bereut und ich bin nach wie vor motiviert. 

Wenn man Ihren Kolleg*innen Glauben schenken darf, zeichnen Sie sich nicht allein durch exzellentes Fachwissen, sondern besonders durch Ihre Menschlichkeit und Besonnenheit aus. Was sagen Sie dazu?

Das ist ein sehr schönes Kompliment. Es freut mich sehr zu hören, dass ich nicht nur als Fachexpertin geschätzt werde. Es ist jedoch selbstverständlich für mich, überlegt zu handeln und einen wertschätzenden, respektvollen Umgang zu pflegen. Das ist sowohl im Privat- als auch im Geschäftsleben unerlässlich. Ich sehe mich als Teammitglied, wie alle anderen in meinem Team auch. Nur gemeinsam können wir grosse Erfolge erziehen. Generell ist meine Devise in allen Bereichen, konsequent in der Sache zu sein, aber immer menschlich und respektvoll im Dialog zu bleiben. In meiner fast zwanzigjährigen Berufserfahrung habe ich natürlich Vorgänge und Situationen erlebt, bei denen ich dachte, dass man sie auch anders lösen hätte können. In herausfordernden Situationen erinnere ich mich daran und bemühe mich, mit allen Beteiligten eine passende Lösung zu finden.

Menschlichkeit und Besonnenheit sind keine Attribute, die sehr oft männlichen Führungspersonen zugeordnet werden. Was denken Sie, ist der Grund für diese Wortwahl?

Meine Vorgesetzten, ehemalige wie aktuelle, haben sich überwiegend durch Menschlichkeit und Besonnenheit ausgezeichnet. Diese Aussage kann ich daher nicht bestätigen, weil sie nicht meiner Wahrnehmung entspricht. Persönlich bin ich auch der Meinung, dass man langfristig erfolgreicher ist, wenn man besonnen handelt und bei allen Prozessen die Menschen dahinter sieht. Als Head of Liability Broking leite ich das Haftpflichtteam sowohl fachlich als auch personell. Wir sind verantwortlich für die Ausgestaltung, Verhandlung und Betreuung von internationalen Haftpflichtversicherungsprogrammen (Betriebs- und Produktehaftpflicht) sowie von nationalen Versicherungslösungen für Grosskunden. Dazu gehören mitunter auch Umwelt-Versicherungsprogramme, Produktschutzdeckungen und Speziallösungen für die Aviation. Dies beinhaltet auch die Beratung unserer Kund*innen und die fachliche Unterstützung unserer Kundenberater*innen rund um das Thema Haftpflicht-Versicherungen. Das heisst, ich bin auch im operativen Geschäft tätig und kenne die Bedürfnisse unserer Kund*innen und den Markt aus erster Hand. Als Fachverantwortliche vertrete ich zudem die Schweiz in unserer europaweiten Liability-Practice-Group, wo wir uns länderübergreifend über das Marktgeschehen, unsere Erfahrungen und mögliche Lösungswege für Spezialfälle austauschen. Aon ist auch als starker Partner im M&A-Bereich bekannt und unter dem Jahr ergeben sich viele spannende Projekte, bei denen mein Team und ich mitwirken dürfen.

Gemäss Aon-Trendbarometer 2021 kam es im vergangenen Jahr im Bereich Haftpflicht zu Kapazitätsreduktionen und einem vermehrten Bedarf an Risikoinformationen. Können sie dies erläutern?

Der Haftpflichtversicherungsmarkt hat sich in den letzten zwei Jahren verhärtet. Den nationalen Markt erleben wir zwar als nervös, aber abwartend. Wir sehen uns im internationalen Markt hingegen mit einer Kehrtwende konfrontiert sehen. Die Versicherer sind generell zurückhaltender in der Zeichnung von Risiken geworden. Aon betreut unter anderem Grosskonzerne, die nicht selten Versicherungssummen von weit mehr über 100 Millionen Franken einkaufen. Die Versicherer sind aber immer weniger bereit, so hohe Kapazitäten zu zeichnen. Zudem wollen sie ihre Kunden und Risiken wieder besser einschätzen können, was zu vermehrten Rückfragen führt. Diese Entwicklung wird sich im 2022 sicher fortsetzen. Als Broker sehen wir uns vermehrt in der Rolle eines Strategieplaners und unterstützen unsere Kund*innen bei Überlegungen rund um alternative Risikofinanzierungen wie zum Beispiel Captives.

Worauf müssen Broker künftig bei Ausschreibungen besonders achten? Ich frage besonders nach den unterschiedlichen Entwicklungen in der Zeichnungspolitik bezüglich General Liability, PI, D&O und Cyber?

In allen genannten Sparten sehen wir derzeit eine restriktive Zeichnungspolitik. Sowohl für Liability als auch für PI, D&O und Cyber gilt es deshalb, früh genug mit dem Ausschreibungsprozess anzufangen. Das heisst konkret, die Bedürfnisse der Kundin oder des Kunden abzufragen, den Risikodialog zu führen und vorausschauend zu planen. Bestehende Lösungen müssen dabei überprüft und hinterfragt werden, beispielsweise in Bezug auf die Versicherungssumme, den Selbstbehalt, die Deckungen und vieles mehr. Der Broker kann den Markt in der Regel gut einschätzen, aber dieser befindet sich momentan im Umbruch und Versicherer können ihre Strategien auch unterjährig anpassen, deshalb ist das Timing ein wichtiger Faktor. Mehrjährige Verträge ohne jährliches Kündigungsrecht werden immer weniger angeboten. Das führt dazu, dass die Verträge jährlich neu verhandelt werden müssen. Die Kapazitätsengpässe in gewissen Industrien wie der Life Science führen dazu, dass wir viel häufiger auf die Unterstützung von unseren Kolleg*innen aus dem Vereinigten Königreich im Global Broking Center und bei Aon Re angewiesen sind.

Finden auch Risikoüberprüfungen bei bereits versicherten Risiken statt?

Definitiv. Wir als Broker stehen in ständigem Austausch mit unseren Kund*innen. Risikosituationen werden mindestens jährlich überprüft und anpasst. Das ist unerlässlich. Versicherer auf der anderen Seite überprüfen ihre Portefeuilles ebenfalls laufend. Bereits versicherte Risiken werden neu beurteilt und wesentlich genauer geprüft. Eine völlig neue Situation für viele Kund*innen, besonders, wenn man bereits jahrelang bei derselben Gesellschaft versichert gewesen war und plötzlich detaillierten Risikofragen gestellt werden..

Weshalb und wie überarbeiten Versicherer ihre Zeichnungspolitik?

Jeder Versicherer beziehungsweise jede Unternehmung verfolgt eine andere Strategie. In einigen Bereichen haben Versicherer gute Gewinne erzielt, in anderen herbe Verluste eingefahren, zum Beispiel bei Sach-Betriebsunterbrechungen. Wenn das Verhältnis zwischen den Einnahmen und den Ausgaben nicht mehr stimmt, wird dem auf dem Grund gegangen und es wird entschieden, welche Risiken noch gezeichnet werden sollen, welche zurückhaltend und welche nicht mehr. Auch die rechtlichen Entwicklungen werden genauestens beobachtet. Um ein Bespiel zu nennen: In den USA sind die Schadenzahlungen aus Sammelklagen und die Schadenhöhe bei US-Motorfahrzeug-Schadenfällen in den letzten Jahren deutlich gestiegen (Stichwort: Social Inflation). Der Markt reagiert damit, dass die Prämien für US-Risiken (Exporte, Tochtergesellschaften in den USA/Kanada) steigen und die Attachment Points der Motorfahrzeug-Exzedentendeckungen angehoben werden.

Inwiefern zeichnen sich Verhärtungen des Marktes ab und in welchem Bereich?

Im internationalen Bereich befinden wir uns bereits in einem harten Markt. Eine weitere Verschärfung ist für gewisse Industrien zu erwarten, insbesondere für Kund*innen mit einer in den letzten Jahren negativen Schadenentwicklung. Im nationalen Geschäft ist die Lage ein wenig entspannter, aber auch da ist mit Prämienerhöhungen und eingeschränkten Deckungen zu rechnen. Wir gehen davon aus, dass wir in nächster Zeit keine Entspannung sehen werden. Zudem werden Kund*innen, welche einen Mehrjahresvertrag vereinbart hatten, diese Entwicklung bei der Erneuerung deutlicher spüren.

Welche Auswirkungen hatte Covid-19 bisher auf das Liability Broking bei Aon?

Ganz allgemein haben nicht wenige Versicherungsnehmer durch Covid-19 einen Umsatzrückgang zu verzeichnen. Gleichzeitig haben die Versicherer aus den vorhin genannten Gründen der Marktverschärfung ihre Prämien erhöht; eine ausserordentliche finanzielle Belastung für die Versicherten. Wir als Broker konnten in vielen Fällen unsere Kund*innen unterstützen und gute Lösungen erzielen. Des Weiteren haben einige Versicherer neu einen Covid-Ausschluss in den Verträgen aufgenommen. Gerade im Hinblick auf Veranstaltungen, wie beispielsweise Betriebsfeste haben solche Ausschlüsse zu Verunsicherungen bei unseren Kund*innen geführt. 

Welchen Einfluss haben die Veränderungen des VVG, insbesondere das direkte Forderungsrecht auf die Zeichnungspolitik der Versicherer und die Gestaltung der Verträge?

Was die Gestaltung der Verträge angeht befinden wir uns in einer Übergangsphase. Bis auf wenige Ausnahmen gelten die revidierten und neuen Bestimmungen für Verträge, die ab dem ersten Januar 2022 abgeschlossen werden. Die Versicherer stehen unter Druck, ihre Bedingungen auf die neuen VVG-Bestimmungen anzupassen. Was aber, wenn die Verträge vor diesem Datum abgeschlossen worden sind? Die Versicherer gehen bei der Umsetzung nicht einheitlich vor, was eine enorme Herausforderung für alle Parteien darstellt. Welchen Einfluss das teilrevidierte VVG auf die Zeichnungspolitik haben wird, kann zum jetzigen Zeitpunkt schwer eingeschätzen. Meiner Meinung nach könnten mehr Regresse (in der Haftpflichtversicherung) zu einer höheren Belastung des Haftpflichtbestandes führen.

Das Interview mit Vlora Limani führte Binci Heeb.

Vlora Limani arbeitet seit knapp zwanzig Jahren in der Versicherungsbranche. Seit Anfang 2021 leitet sie das Haftpflicht-Broking-Team bei Aon in der Schweiz und trägt auch die Fachverantwortung. Sie ist diplomierte Versicherungswirtschafterin HF.
Bevor sie 2020 zu Aon stiess, war sie 15 Jahre lang als Haftpflicht-Underwriter und – Fachexpertin bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften in der Schweiz tätig. Dabei hat sie sich ein fundiertes Fachwissen angeeignet und ausgeprägte Marktkenntnisse entwickelt. Seit Jahren gehört die Ausgestaltung von individuellen und auf die Kundenbedürfnisse abgestimmte Versicherungslösungen zu ihren Kernaufgaben.


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